Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)
Bürgersteige waren verstopft von drängelnden Menschen, die schmalen Straßen von Kutschen und Karren, die über das Kopfsteinpflaster rumpelten. Ein erstickendes Getümmel aus Lärm, Gerüchen und Leben, das Daigh völlig überwältigt hätte, wäre die kühle, salzige Seeluft nicht gewesen. Aber so konnte er sich auf sein Opfer konzentrieren. Der Mann in Schwarz hatte sein Pferd in einem Mietstall untergebracht und sich zu Fuß durch Straßen und Gassen aufgemacht. Nachdem er die halbe Stadt durchquert hatte, ohne sich seines Verfolgers bewusst zu sein, dieses stets präsenten Schattens, dem keine seiner Bewegungen entging, hatte er sich zu einem gemütlichen Wirtshaus am Hafen und dort in einen privaten Salon im ersten Stock begeben.
Der Privatsalon befand sich am Ende eines schmalen, wackeligen Außengangs. Unten im Hof brüllten Knechte herum, wenn Pferde an- oder ausgespannt wurden, und Passagiere plauderten, während ihr Gepäck verladen und Kutschen reisefertig gemacht wurden. Pferde scharrten ungeduldig auf dem Kopfsteinpflaster, und Kutscher fluchten und stampften mit den Füßen gegen die feuchte Kälte auf. Es herrschte genug Krawall, um selbst den ungeschicktesten Beschatter unsichtbar zu machen. Doch Daigh war nicht ungeschickt – und es erforderte tatsächlich eine gewisse Geschicklichkeit, die Tür einen Spalt zu öffnen und untätig auf dem Außengang herumzustehen, als genösse er nur das Spektakel unter sich.
»… hoffe ich doch. Denn sonst wird Máelodor uns den Kopf abreißen.« Das musste der Partner des schwarz gekleideten Schurken sein, der eine helle, kultivierte, ja fast schon ein wenig unmännliche Stimme hatte.
»Er muss es sein. Ich habe das Gebäude von oben bis unten abgesucht. Außerdem ist es doch nur allzu offensichtlich, dass dies der richtige Wandbehang ist. Siehst du die Sänfte und das Grab? Beide wurden im Tagebuch des Earl of Kilronan erwähnt.«
Daigh stockte der Atem.
Kilronan. Sabrinas Bruder. Was zum Teufel hatte er damit zu tun? Und war Sabrina in diese Angelegenheit verstrickt?
Aber das war unwichtig. Sabrina spielte keine Rolle mehr in seinem Leben. Daigh ignorierte den Schmerz, der ihn seit seinem Aufbruch von Glenlorgan quälte, die Last nutzloser Emotionen, und konzentrierte sich auf das Gespräch.
Ein Schweigen folgte, und die Bewegungen in dem Salon gingen in dem ständigen Kommen und Gehen unten im Hof unter. Etwas weiter den Gang hinunter öffnete sich eine Tür, und ein Mann und eine Frau erschienen, deren Gespräch über Wetter, Schiffspassagen und Zimmerpreise völlig fehl am Platz erschien neben den dunklen Verschwörungen gleich nebenan. Auf dem Weg zur Treppe tippte sich der Mann im Vorbeigehen an den Hut, während die Frau Daigh mit unverhohlener Bewunderung beäugte.
»Und Máelodors Kreatur?«
Daigh strengte sich an, um das Gesagte über das Horn einer ankommenden Postkutsche, das Klirren von Pferdegeschirr, Hufgeklapper und das neuerliche rege Treiben unter ihm verstehen zu können. Im Gasthaus und auf dem Hof ging es zu wie in einem Bienenstock, was das Lauschen fast unmöglich machte.
Der Gedanke, einfach in einem Ausbruch tödlicher Gewalt zur Tür hineinzustürmen, entlockte Daigh ein dünnes Lächeln, und seine Muskeln zuckten, als sich in den finstersten Winkeln seiner Seele die Schlange regte, aber er unterdrückte den Impuls .
Es war besser, abzuwarten und die Verfolgung fortzusetzen.
»… dort … griff mich an … nicht einmal ein Domnuathi hätte das überleben können.«
»… Narr!« Das Scharren von Stühlen folgte. »Bring es zu Máelodor … erzähl ihm von Lazarus … was er damit tun will … mach dich auf nach Dublin … zu den Amhas-draoi … «
Beide Männer lachten.
»… aller Augenmerk liegt auf Douglas. Máelodor hält man für tot.« Wieder lachten die beiden Verschwörer. »… Information für ihn. Sorg dafür, dass er sie sofort bekommt!« Gläser klirrten, und Dielen knarrten. Die Zusammenkunft war offenbar beendet.
Daigh verließ seinen Standort, huschte den Gang hinauf und schlüpfte in die erste offen stehende Tür. Dort wartete er, bis der schwarz gekleidete Mann vorbeikam. Er brauchte ihm nur zu folgen, um den mysteriösen Máelodor zu finden, die Spinne im Zentrum dieses scheußlichen Gespinsts.
Er war gerade wieder auf den Gang hinausgetreten, als er die kalte Klinge eines Messers an seinem Hals spürte. »Alles mitbekommen, Lazarus? Oder soll ich die Lücken für Sie füllen?« Es war die hohe
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