Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)
mich vor St. John beschützen willst.«
»Du hast keine Ahnung, was ich will«, entgegnete er mit kalter, fast schon ärgerlicher Stimme.
Sabrina fuhr schnell fort, bevor sie wieder Vernunft annehmen konnte. »Ich ertrage sie nicht mehr, die neugierigen Blicke, die spitzen Bemerkungen und dummen Fragen. Nicht jetzt. Noch nicht.«
War das besser? Betrachtete er sie schon mit etwas anderem als Ärger? Sabrinas Wangen begannen zu glühen, und das Blut dröhnte ihr in den Ohren.
Daigh maß sie mit einem durchdringenden Blick. »Bist du dir sicher, dass das der Weg ist, den du gehen willst? Ist dir klar, dass es danach kein Zurück mehr gibt?«
War sie sich sicher? Sie rief sich jeden einzelnen von Aidans Briefen in Erinnerung. Das ominöse bevorstehende Gespräch mit ihm. Seinen Wunsch, sie in den Schoß der Familie zurückzuholen. Ihren eigenen Wunsch, nach Glenlorgan zurückzukehren und ihr altes Leben wiederaufzunehmen, wo sie es verlassen hatte. All diese Gedanken machten ihr Mut, auch wenn ihre Vernunft ihr sagte, dass sie mit dem Feuer spielte.
Sie straffte die Schultern. »Ja. Ich bin mir sicher.«
Daigh öffnete den Mund, wie um zu widersprechen, schloss ihn aber wieder unter dem grimmigen Blick, den sie ihm zuwarf, und gab mit einem schiefen kleinen Lächeln nach. Sein schwarzes Haar hatte einen bläulichen Glanz, sein Körper strahlte eine Hitze aus, die Sabrina bis in die Zehen spürte, als er mit ihr durch den Garten zum Tor und der Straße dahinter ging. Seine Hand auf ihrem Rücken war wie ein Brandeisen, und seine dunklen Augen glühten, als er eine wartende Kutsche heranwinkte.
»Wohin möchtest du?«
Sabrina schüttelte den Kopf, außerstande, etwas zu sagen oder auch nur darüber hinauszudenken, dass dieser Mann sie allein schon durch seine Nähe völlig aus der Fassung brachte. »Egal.«
Daigh half ihr einzusteigen. Nachdem er sie in warme Decken gehüllt hatte, klopfte er ans Dach und befahl dem Kutscher in herrischem Tonfall loszufahren.
Und verdarb den Eindruck des Despoten, indem er Sabrina einen Blick zuwarf, der alles andere als herrisch war.
Kapitel Sechzehn
D aigh beobachtete sie vom gegenüberliegenden Kutschensitz, über dessen Lehne er entspannt den Arm gelegt hatte. Wäre da nicht der unablässige Ansturm seines Geistes gegen ihren gewesen, hätte Sabrina ihm seine gelassene Haltung sogar abgenommen.
Doch nun, da sie sich ihm anvertraut hatte, war sie sich nicht mehr sicher, wie es weitergehen sollte. Würde er sie leidenschaftlich in die Arme nehmen? Oder wartete er darauf, dass sie den ersten Schritt machte? Empfand nur sie es so, oder war es wirklich furchtbar warm im Innern der Kutsche?
»Bei den Halliwells … da spürte ich es wieder, Daigh. Es war wie all die anderen Male.«
»Ein Traum?«
»Glaubst du etwa, ich hätte dort geschlafen?«
Eine seiner Hände ballte sich zur Faust, aber das war das Einzige, was auf seine innere Erregung schließen ließ. »Beschreib es mir!«
»Ich war in einem Saal voller Leute. Sie waren nervös, ja geradezu aufgeregt. Du warst auch dort, in Gesellschaft einer Gruppe von Männern. Ich war …« Ihre Hand glitt zu ihrem Magen, und sie konnte gerade noch ein scharfes Einatmen unterdrücken. Ihr Blick schoss zu Daighs. Sie sagte nichts, ließ die Hand jedoch wie beschützend auf ihrem Bauch liegen.
Mit jedem seiner Worte verhärteten sich seine Züge, seine Lippen wurden schmal, und Schatten fielen über sein Gesicht. »Als ich dich mit St. John sah, war ich nahe daran … Ich kämpfte es auf die einzige Weise nieder, die mir zur Verfügung stand. Da war eine Erinnerung an … ich weiß es nicht. Hywel war nach dem Tod seines Vaters schon nach Irland geflohen, doch es hieß, er wolle zurückkommen. Ich … verdammt, ich kann mich nicht an mehr erinnern. Die Dunkelheit hat es verschluckt wie alles andere.«
»Aber einiges weißt du noch. Genug, um zu erkennen, dass deine Erinnerungen uns verbinden. Ich sehe, woran du dich erinnerst, Daigh.«
»Also verursache ich deine Visionen? Oder du löst meine Erinnerungen aus?«
»Ich wünschte, ich wüsste es.« Sabrina bemühte sich, das Zittern aus ihrer Stimme fernzuhalten.
Er wechselte zu ihrer Bank hinüber und zog Sabrina an sich. Sein Herz hämmerte so hart in seiner Brust, dass es gegen ihre Hand schlug und in der kalten Luft der Kutsche zu vibrieren schien.
Ein Mann und eine Frau. Ein Kuss. Ein Versprechen. Ein zerwühltes Bett, auf dem zwei Liebende in inniger Umarmung lagen.
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