Verführung der Unschuld 2
geordnetes „Best Of“ seines Lebens. Aber auch Kunden streckten ihm ihre Hand entgegen, einige davon waren doch längst verstorben? Dann mischten sich Eindrücke seiner sexuellen Exzesse hinein, die Gesichter ehemaliger Geliebter huschten vorbei, und dann wandelte sich die positive Stimmung und der Endorphinrausch war vorbei. Die ernsten Mienen von Antonella und Giovanni kamen ganz nah auf ihn zu. Zuletzt schaute er in Mariellas schönes Antlitz, wollte aufschreien, bedrängt von einer schrecklichen Vorahnung. Aber der Druck auf seinen Brustkorb war zu groß, so dass kein einziger Laut über seine Lippen kam. Und genau in der Sekunde, als er begriff, was hier vor sich ging, sah er Giulias tränenüberströmtes Gesicht vor sich.
Abrupt endete die Bildsequenz mit einem lauten Knall.
Der Sportwagen hatte die Leitplanken zur Gegenfahrbahn durchbrochen, ein entgegenkommendes Fahrzeug gestreift, sich überschlagen und war auf dem Dach zum Liegen gekommen. Nur eine Sekunde, dann wurde er von einem Lastwagen erfasst, unter dem Führerhaus eingeklemmt und auf einen zweiten, voraus fahrenden Lastwagen geschoben, und sein Wagen zwischen den beiden schwer beladenen Fahrzeugen zu einem undefinierbaren Blechhaufen gefaltet …
Noch eine ganze Weile nachdem Federico das Zimmer verlassen hatte, war Mariella auf dem Sofa liegen geblieben und hatte versucht, sich von dem Schreck zu erholen, den er ihr eingejagt hatte. Einerseits war sie fast froh, dass sie nun nicht mehr lügen musste. Andererseits bestand kein Zweifel, dass er sie aus dem Weg schaffen würde, wenn er ihre Dienste nicht mehr benötigte. Notfalls auch eigenhändig und der geeignetste Augenblick wäre gekommen, wenn ihres und Giulias Kind auf der Welt waren und er diese seinen Eltern präsentieren konnte. Er brauchte keine Ehefrau, um die beiden großzuziehen. Das konnte auch eine Amme übernehmen oder eine Ehefrau Nummer Zwei. Ihr schauderte bei dem Gedanken, er würde behaupten, sie sei im Kindbett gestorben. Bestimmt gelang es ihm, jemanden zu bestechen, der einen passenden Totenschein ausstellen würde.
Es war höchste Zeit. Sie musste dieses Haus verlassen. Umgehend. Es war kein Problem irgendwo unterzukommen. Lorenzo würde sie gewiss aufnehmen. Und sie scheute sich inzwischen auch nicht mehr, ihren Vater anzurufen und um Hilfe zu bitten. Aber selbst falls es ihr gelänge, das Haus zu verlassen, selbst wenn sie von niemandem aufgehalten würde – so war Giulias Leben in höchster Gefahr. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als die Carabinieri anzurufen und gleichzeitig Antonella und Giovanni zu überreden, ihre Schwägerin bis zur Ankunft der Beamten zu schützen. Vielleicht gab es ja auch Werkzeug im Haus, mit dem Giovanni das Schloss knacken und Giulia aus ihrem Verlies befreien konnte? Es musste schnell gehen!
Mariellas Herz schlug so hart, dass ihr Brustkorb bebte. Alleine konnte sie gar nichts ausrichten. Frustriert musste sie einsehen, dass ihre Flucht besser geplant und verschoben werden musste. Hoffentlich war es dann nicht schon zu spät …
Unglück und Glück
Ob Federico in seinem Bett geschlafen hatte, war Mariella egal. Seine Tür blieb geschlossen, während sie frühstückte und nachdachte. Die Ungewissheit, wie es weiter gehen sollte, verdarb ihr den Appetit. Nur ihrem Kind zuliebe, nur aus reiner Vernunft, zwang sie sich zu essen. Wie würde es weitergehen, wenn die beiden Babys geboren waren? Wie sehr sie sich nach Normalität sehnte, nach einem einfachen geordneten Leben, und nach Zärtlichkeit.
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und Antonella stürmte herein.
»Mach dich bereit. Giovanni ist die ganze Nacht durchgefahren und ist in einer Viertelstunde hier. Wir holen Giulia und hauen ab!«
»Aber Federico?«
Mit regungsloser Miene starrte Antonella sie an. »Er ist nicht heimgekommen, seit er gestern Abend weggefahren ist. Keine Ahnung, wo er steckt oder ob er gerade jetzt zurückkommt. Also, zieh dir was an und komm runter ins Wohnzimmer.«
Ehe Mariella weitere Einwände äußern konnte, war sie schon wieder hinaus gerannt.
Ihr Herz schlug schneller vor Aufregung. Sie suchte sich im Ankleidezimmer Unterwäsche und eines der neuen Umstandskleider heraus, die Federico ihr noch vor kurzem zugestanden hatte. Im Augenblick verfügte sie weder über offizielle Ausweispapiere noch über Geld. Schwierigkeiten waren also zu erwarten. Aber es würde sich alles irgendwie regeln lassen. Hauptsache fort …
Von Unruhe getrieben ging
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