Verführung der Unschuld 2
Mariella im Wohnzimmer auf und ab. Alle paar Minuten schaute sie auf die Uhr. Wo blieb Giovanni? Sie nahm sich eine der Zeitungen, die auf dem Couchtisch lagen und setzte sich hin. Aber sie schaffte es nicht, sich auf die Zeilen zu konzentrieren. Schließlich stand sie auf und setzte ihr ruheloses Herumlaufen fort. Bis – die Wohnzimmertür aufgestoßen wurde und Giovanni hereinkam.
Mariella schlang ihre Arme um seinen Hals. »Ich hab dich so vermisst.«
»Ich dich auch.«
»Gehn wir?«, flüsterte sie, immer noch in Sorge, dass Federico sie ausgerechnet in diesem Moment stoppen würde.
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Im Esszimmer wartet jemand auf dich. Zwei Leute der Policia stradale.«
Mariellas Arme sanken nach unten. »Und was wollen die von mir?«
»Ehrlich, ich hab keine Ahnung. Die kamen zeitgleich mit mir an, und Antonella hat sie ins Esszimmer geführt.«
Zwei Wochen waren seit Federicos überraschendem Tod vergangen. Zwei Wochen, in denen sich Policia stradale, Federicos Notar, seine Eltern, Giulia und Lorenzo, und der Bestatter, fast stündlich die Klinke in die Hand gaben. Zwei Wochen, in denen Mariella nicht zur Ruhe kam, Entscheidungen als frisch gebackene, selbstbestimmende Hausherrin fällen musste, und in der sie zwischen Trauer und Erleichterung schwankte. Zwei Wochen mit täglich verlesener Messe, veranlasst vom Patrone und seiner Frau, die beide nicht begreifen konnten, dass einer ihrer Söhne so unerwartet aus dem Leben geschieden war. Zugleich sorgten sie sich um Federicos ungeborenes Kind und ihre Schwiegertochter, wie diese mit diesem Schicksalsschlag zurechtkommen würde.
Auch Lorenzo und Giulia bedurften der Fürsorge ihrer Schwiegereltern und Tante Ilarias. Noch saß auch der Schrecken über Giulias Entführung allen in den Gliedern. Indes, Mariella war sich sicher, dass ihre Schwägerin den Schock durch Lorenzos tiefe Liebe bald überwinden würde. Er und Maria und das Baby würden Giulias Leben so sehr ausfüllen, dass sie bald wieder glücklich sein würde.
Dann endlich war es soweit. Federicos Leiche war eingeäschert und konnte beigesetzt werden. Der Feind aus ihrer Mitte hatte die Welt verlassen.
»Puh, ich fühle mich wie durch die Mangel gedreht«, seufzte Mariella und sank langsam auf das Chaiselongue im Wohnzimmer.
Die Beerdigungszeremonie hatte schier kein Ende nehmen wollen. Auf Anraten ihrer Schwiegermutter hatte sie alle Einladungen und das gesamte Protokoll dem Patrone überlassen, was dazu führte, dass die Beerdigung einem kleinen Staatsakt glich.
Fast alle Trauergäste waren Mariella unbekannt gewesen, zum Teil von weit her angereist, und eine lange Prozession war von der Kirche zur Familiengrabstätte der Morenos geschritten, wo die Urne mit Federicos Asche begleitet von einem feierlichen Zeremoniell beigesetzt wurde.
Das Kind hatte Mariella unentwegt getreten, als protestierte es gegen dieses langsame Gehen und Herumstehen und die endlose Schlange der Kondulanten, und als wüsste es, dass seinem Vater so viel Ehre gar nicht zustand.
Jetzt hoffte Mariella ein wenig zur Ruhe zu kommen.
»Ich werde dir einen Tee bringen und dann ruhst du dich erst Mal aus. Das Schlimmste ist überstanden.« Giovanni zog ihr die Schuhe aus und massierte ihr behutsam die Füße.
Das stimmte zum Glück. Mariella fühlte sich rundum erleichtert. Zwar waren die Ereignisse der vergangenen Wochen noch sehr nah, aber bei der Aussicht, nicht mehr Federicos Willkür ausgesetzt zu sein, ging es ihr schon viel besser.
»Du machst das sehr gut, daran könnte ich mich gewöhnen«, murmelte Mariella.
»Das liegt ganz bei dir.«
Mariella richtete sich etwas mehr auf. »Komm, setz dich zu mir. Wir müssen reden.«
Die ganze Zeit hatte sie das schon vorgehabt, aber solange Gott und die Welt ständig bei ihr ein- und ausgingen, und das Kapitel Federico nicht abgeschlossen war, hatte sie nicht die Kraft und Ruhe dafür gefunden.
»Sobald ich weiß, wie viel Federico mir hinterlassen hat, werde ich erst einmal meinen Vater besuchen und mich mit ihm versöhnen.«
»Das dürfte dir nicht schwerfallen. Er freut sich doch bestimmt über ein Enkelkind.«
Mariella seufzte. »Aber nicht über die Umstände, die dazu gehören.«
»Denk dir doch eine Geschichte aus. Du musst ihm ja nicht die Wahrheit sagen.«
»Und was ist, wenn er mich mal besucht und meine Schwiegereltern trifft? Dann kommt alles raus. Nein, nein, ich werde ihm – eine abspeckte Version erzählen. Von der
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