Verfuehrung im Mondlicht
»Wann wurde dieser Boden das letzte Mal ordentlich mit Seife und Essig gereinigt?«
Zwei Frauen in schmutzstarrenden Schürzen und Kappen starrten sie mit offenem Mund an. Die eine rührte den Inhalt eines großen, eisernen Topfs um. Bei dem Geruch lief einem eher das Wasser in den Augen zusammen als im Mund.
»Schon gut.« Concordia richtete sich auf und blickte eine der beiden Köchinnen an. »Ich führe im Auftrag der Wohltäterin dieser Institution eine Inspektion durch. Ich will mit dem Keller beginnen. Wenn Ihr mir freundlicherweise zeigen würdet, wie ich dorthin komme?«
»Ehm, die Tür liegt auf der anderen Seite des Herdes, Ma’am«, erwiderte die erste Frau unsicher.
»Danke.« Concordia eilte zu der schmalen Tür.
»Aber sie ist abgeschlossen, Ma’am«, fuhr die Köchin fort.
Concordias Zuversicht erlitt einen Dämpfer. »Wo ist der Schlüssel?«
»Den verwahrt Miss Pratt«, erklärte die zweite Köchin zögernd. »Niemand darf ohne ihre Genehmigung die Keller betreten.«
»Miss Shelton?« Edith Pratts Stimme hallte im Flur. »Wartet bitte auf mich! Ich führe Euch durch die Schule.«
»Pass bloß auf«, sagte die erste Köchin leise zu ihrer Kollegin. »Sie hat schon den ganzen Tag miese Laune.«
Edith Pratt betrat die Küche, blieb stehen und starrte die Köchinnen finster an. »Geht in den Speisesaal und wartet dort mit den anderen. Miss Shelton und ich sind in Kürze bei euch!«
»Aber dann brennt die Suppe an!«, protestierte die erste Köchin.
»Achtet nicht auf die Suppe!«
»Jawohl, Miss Pratt!«
Die beiden Frauen verließen hastig die Küche.
»Den Schlüssel zum Keller, wenn Ihr so freundlich wäret, Miss Pratt!«, befahl Concordia so autoritär wie möglich.
»Ja, selbstverständlich.« Edith Pratt hakte einen Schlüssel von der Uhrenkette, die an ihrer Taille hing.
Sie warf den Schlüssel Concordia zu, die ihn etwas ungelenk mit ihren behandschuhten Händen auffing.
»Fahrt nur fort.« Edith Pratt machte eine auffordernde Handbewegung. »Öffnet die Tür. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, warum Ihr den Keller inspizieren wollt, aber wenn das Eure Aufgabe ist, bitte. Ihr werdet dort alles zu Eurer Zufriedenheit vorfinden.«
Concordia drehte sich zur Tür um und schob den Schlüssel in das alte Schloss.
»Aber beeilt Euch«, meinte Edith Pratt gereizt, während sie näher kam. »Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«
Concordia musste die schwere Tür mit beiden Händen aufziehen. Das Licht aus der Küche fiel in den dunklen Schlund und beleuchtete eine schmale Treppe. Der Rest des Kellers war stockfinster.
Concordia öffnete den Mund, um nach Hannah zu rufen.
In dem Moment hörte sie rasche Schritte hinter sich.
Sie drehte hastig den Kopf herum und sah, wie Edith Pratt sich auf sie stürzte. Die Schulleiterin hatte die Zähne gefletscht, und ihre Augen glühten vor Hass.
Sie hatte eine schwere, eiserne Pfanne von dem langen Tisch genommen und umklammerte den Stil mit beiden Händen wie eine Keule.
Die Frau will mich umbringen!, dachte Concordia. Edith Pratt hatte vor, ihr mit der Pfanne den Schädel einzuschlagen!
Concordia versuchte hastig und etwas ungeschickt, sich vor dem tödlichen Schlag in Sicherheit zu bringen. Sie rutschte auf dem glitschigen Boden aus und stürzte auf das Linoleum.
Dieser Ausrutscher rettete ihr das Leben. Edith Pratts wuchtiger Hieb verfehlte Concordias Kopf nur um Zentimeter.
Die Schulleiterin kam rutschend zum Stehen, holte aus und ließ die Pfanne erneut heruntersausen.
Concordia wusste, dass ihre Röcke sie nur behindern würden, also versuchte sie erst gar nicht aufzustehen. Stattdessen zog sie die Knie an und krabbelte schnell unter den massiven Tisch.
Gerade noch rechtzeitig. Die Bratpfanne landete mit einem lauten Krachen und einer solchen Wucht auf den Holzbrettern, dass Töpfe und Schalen klappernd auf dem Tisch hüpften. Einige Deckel fielen sogar zu Boden.
Edith Pratt zischte vor Wut und Frustration. Sie schleuderte die Pfanne an die Wand.
Concordia krabbelte zur anderen Seite des Tisches, raffte ihre Röcke und stand auf.
»Ihr habt alles ruiniert!« Edith Pratts Gesicht war nur noch eine wütende Fratze. »Dafür werdet Ihr bezahlen!«
Sie riss ein großes Gemüsemesser aus dem Messerblock.
Concordia starrte die Klinge wie gebannt vor Angst an. Sie steckte zwischen dem Tisch und der Wand in der Falle. Edith Pratt näherte sich ihr mit vorgestrecktem Messer.
»Jetzt seid Ihr nicht mehr so kühn, nicht wahr,
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