Verfuehrung im Palast der Liebe
Windschutzscheibe. Das Wasser mischte sich mit dem Staub und lief in gelben Rinnsalen über das Glas.
„Ich muss leider langsamer fahren, sondern besteht die Gefahr, von der Straße geschleudert zu werden“, erklärte Jay ruhig.
Keira nickte. Sie war ihm dankbar, dass er sie wissen ließ, was er tat. Auf gar keinen Fall wollte sie ihn jetzt ablenken, also blieb sie stumm. Zudem hätte sie schreien müssen, um das Getöse des Sturms und des Donners zu übertönen.
Der Regen war so stark, dass Keira meinte, unter einem Wasserfall herzufahren. Im Licht der Scheinwerfer konnte sie das Gurgeln der trockenen Erde sehen, eine Straße gab es nicht mehr, die Wassermassen hatten sie längst überschwemmt. Die Reifen arbeiteten sich durch den Schlamm, jederzeit bestand die Gefahr, dass sie abrutschten.
Seltsam, aber Keira verspürte keine wirkliche Angst. Weil sie mit Jay zusammen war? Sie warf einen Seitenblick auf ihn. Er hielt das Lenkrad mit festen Händen, seine ganze Konzentration galt dem Steuern des Wagens, doch er zeigte keine Anzeichen von Nervosität. Irgendwie war Keira absolut überzeugt, dass Jay sich niemals von einem Gewitter unterkriegen lassen würde.
„Ralapur liegt direkt vor uns“, hörte sie ihn sagen. Keira beugte sich vor, durch die Scheibe erkannte sie die Lichter der Stadt. Jetzt hatten sie auch die asphaltierte Straße erreicht, und Jay beschleunigte wieder das Tempo. Der Sturm blieb hinter ihnen zurück.
Bis sie beim Parkplatz der Stadt ankamen, war der Regen abgeflaut, doch der Sturm wütete noch immer.
Jay stellte den Motor ab. „Wollen Sie so lange warten, bis ich einen Mantel und einen Regenschirm für Sie geholt habe?“
Keira schüttelte den Kopf. „Nein, ich komme mit Ihnen.“ Lieber wurde sie ein wenig nass und blieb in der Sicherheit seiner Nähe, als dass sie allein in dieser unheimlichen Atmosphäre wartete.
„Dann los.“
Sie waren nur Meter vom Vorplatz des Palastes entfernt, als sie das Gewitter wieder einholte. In diesem Moment ging ein solcher Platzregen auf sie nieder, dass Keira das Gefühl hatte, kaum noch atmen zu können, ohne Wasser zu schlucken.
Jay fasste sie bei der Hand und zog sie mit sich. „Wir gehen hier entlang“, rief er über das Brausen des Sturms hinweg. „Das ist kürzer.“ Damit eilte er mit ihr über einen schmalen Pfad und durch ein hohes Tor in der Mauer in seinen Privathof. Keira hatte nicht einmal genug Luft, um zu protestieren, selbst wenn sie gewollt hätte. Es war viel einfacher und sicherer, sich von Jay die Steintreppen hinaufführen zu lassen, die vor dem Eingang endeten. Hastig öffnete er die Tür, schob Keira hinein und schlug die Tür zu.
Endlich standen sie im Trockenen.
Keira wurde bewusst, dass sie während des Sturms kein einziges Mal etwas anderes verspürt hatte als absolutes Vertrauen in Jay. Er hatte Entscheidungen getroffen, die sie sich nie zugetraut hätte. Doch was sie auf immer in ihrer Erinnerung behalten würde, war die Art, wie er ihre Hand gehalten hatte. Auch wenn sie sich sagte, dass es völlig albern war, so hatte sie doch eine Freude und Glückseligkeit empfunden, die in keinem Verhältnis zu dieser schlichten Geste standen … Irgendwann auf dem Weg von ihrem ersten Zusammentreffen bis zu diesem Augenblick, da sie hier zusammen in diesem Raum standen, hatte sie sich in Jay verliebt.
Atemlos und nass bis auf die Haut, verdrängte Keira diese Erkenntnis erst einmal, um sich umzusehen. Das hier war ein Schlafzimmer. Etwa Jays Schlafzimmer? Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus. Und keineswegs aus Angst, wie ihr bewusst wurde, als Jay den Raum durchquerte und das Licht einschaltete.
Sie zitterte jetzt am ganzen Leib, nicht nur wegen der intimen Umgebung. Die Kleider klebten ihr nass auf der Haut, so wie auch Jays Kleider an seiner Gestalt klebten. Der Stoff des nassen Hemdes war durchsichtig geworden und modellierte seinen Oberkörper. Keiras Mund wurde trocken, ihr Herz schlug einen hektischen Rhythmus, ein schmerzendes Pulsieren in ihrem Leib setzte ein. Nur mit Mühe riss Keira den Blick von Jay los, konzentrierte sich darauf, das Zimmer genauer zu studieren.
Ein großes modernes Bett dominierte den Raum, weiße Leinenlaken waren über eine prächtige Tagesdecke aus Seide geschlagen. Art Deco-Lampen von Tiffany spendeten sanftes Licht und warfen Schatten auf schwere Seidenteppiche, schufen eine Atmosphäre wie in den 1930er Jahren. Keira musste daran denken, dass jeder der unvorstellbar reichen
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