Verfuehrung im Palast der Liebe
früher die Frauen des Sultans gelebt. Von der Außenwelt abgeschottet, in tiefer Verschleierung.
Einer westlichen Frau musste das fremd und unverständlich erscheinen.
Doch war das Leben, das sie führte, nicht ebenfalls eine Art von Gefängnis, ihr aufgezwungen von den eigenen Ängsten? Stimmte es nicht, dass sie ihre Gefühle und Sehnsüchte verdrängte und versteckt hielt und ihnen niemals erlaubte, an die Oberfläche zu kommen, zu ihrem eigenen Schutz?
Keira verspannte sich, als sie Jays inzwischen vertraute Schritte durch die Halle kommen hörte.
„Entschuldigen Sie, dass ich Sie habe warten lassen.“
Wie formell er klang und aussah in seinem maßgeschneiderten Anzug, während Keira Jeans und T-Shirt trug. Erst im Wagen ergriff er wieder das Wort. „Sagen Sie mir, was der Zweck Ihres Besuches bei diesem Betrieb ist?“
Sie wünschte, sie hätte ohne ihn fahren können. „Ich möchte mir die fertigen Möbel ansehen, bevor sie geliefert werden. Wir haben Regalwände für die größeren Wohneinheiten in Auftrag gegeben, für die Arbeits- und Kinderzimmer. Wenn es funktioniert, dann können wir sie für verschiedene Altersgruppen einsetzen, in unterschiedlichen Farben. Außerdem möchte ich sicherstellen, dass auch wirklich verstanden worden ist, dass bleifreie Farben benutzt werden sollen.“
Jay war bisher schnell gefahren, doch jetzt drosselte er das Tempo und fuhr hinter einem Kamelkarren her. „Ich verstehe. Kann ich davon ausgehen, dass dieser Handwerker kein weiterer Landsmann von Ihnen ist, auf der Suche nach dem, was Sie so willig bereit sind zu geben?“
Er war abscheulich, ihr ständig so etwas zu unterstellen! Aber in seinen Armen war sie ja wirklich bereit gewesen, ihm alles zu geben, oder etwa nicht? Sie konnte ihm unmöglich gestehen, dass er der erste, der letzte und der einzige Mann war, bei dem sie so fühlte. Selbst wenn sie es tat, er würde ihr nicht glauben. Sollte er je die Wahrheit über ihren Hintergrund und ihre Mutter erfahren, würde er sein Vorurteil nur bestätigt sehen.
„Ich trage nicht die Verantwortung für das, was Sie denken“, war das Einzige, was sie erwidern konnte.
Doch sofort stürzte er sich auf ihre Worte wie ein Raubvogel auf die Beute. Fast fühlte sie, wie er seine Klauen in sie schlug. „Aber Ihr Benehmen ist verantwortlich dafür, dass sich mir solche Gedanken aufdrängen.“
Jetzt platzte Keira der Kragen. „Wenn Sie meinen, eine ungezwungene Plauderei zwischen einem Mann und einer Frau käme dem Angebot von Intimitäten gleich, dann tun Sie mir leid“, erwiderte sie aufgebracht. „Nein, mein Mitgefühl sollte viel eher den Frauen gelten, die Opfer Ihrer Vorurteile werden, sollten sie es wagen, sich mit Ihnen zu unterhalten.“
„Die Angehörigen Ihres Geschlechts plaudern nie ungezwungen. Jedes Wort wird vom ersten Augenblick an geradezu militärisch präzise geplant – in dem Moment, da eine Frau einem Mann ihre Bereitschaft signalisiert, bis hin zu der Situation, in der er ihr endlich die Entlohnung für ihre Gesellschaft überreicht. Und zwar die Entlohnung, die sie von Anfang an im Sinn hatte.“
„Das ist einfach nur zynisch. Es mag Frauen geben, die so denken, aber …“
„Und Sie gehören dazu, wie wir beide ja schon wissen.“
Was immer sie sagte, nichts würde ihn davon überzeugen, wie sehr er sich irrte. Also verzichtete sie darauf, sich weiter zu verteidigen.
Die Stadt kam näher, und Keira deutete mit dem ausgestreckten Arm auf ein zweistöckiges Gebäude. „Dort drüben … Das ist die Fabrik.“
Die Wüstenhitze traf sie wie ein Schlag, als sie aus dem klimatisierten Wagen ausstieg. Die Monsunzeit war vorüber, Keira konnte sich kaum vorstellen, wie drückend heiß es sein musste, wenn der große Regen kam.
Der Geruch von Leim und Farbe hing in der Luft und brannte ihr in der Nase, ließ sie unwillkürlich nach Luft schnappen.
Ihre Ankunft war offensichtlich bemerkt worden, der Besitzer selbst kam aus seinem Büro auf sie zugeeilt. Keira bemerkte den nervösen Blick, den er Jay zuwarf. Der Mann tat ihr leid. Jay war eine einschüchternde Erscheinung, vor allem, wenn er die Stirn runzelte und die Lippen zusammenpresste, so wie jetzt.
„Hallo, Mr. Singh“, grüßte Keira den Fabrikbesitzer. „Ich möchte Sie mit Seiner Hoheit, Prinz Jayesh, bekannt machen.“
Sie konnte mitverfolgen, wie der arme Mr. Singh vor Ehrfurcht immer fahriger wurde. Mit tiefen Verbeugungen lud er die beiden diensteifrig ein voranzugehen.
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