Verfuehrung im Palast der Liebe
heißen soll, dass du mich liebst …“, hob sie mit all ihrer Courage an.
„Ja?“
„… dann wäre es vielleicht einfacher, wenn du es mir zeigen würdest.“ Es war nur ein Spiel, ein Luftschloss. Nur deshalb war sie in der Lage, derart kühne Worte über die Lippen zu bringen.
„Du meinst, so?“ Mit wenigen Schritten war er bei ihr und zog sie in die Arme. „Du kannst nicht einmal ahnen, wie sehr du mir gefehlt hast“, flüsterte er, bevor er sie küsste.
Es war das Paradies, es war die Hölle, alles gleichzeitig. Freude und Schmerz, Glück und Schuldgefühl. Sie würde es nicht ertragen, Jay oder ihren wunderbaren Traum, dass es vielleicht doch noch ein Happy End für sie geben könnte, aufzugeben. Und doch wusste sie, dass sie es tun musste. Sie konnte nicht mit einer Lüge leben. Sie konnte und würde Jay kein zweites Mal täuschen.
„Ich liebe dich, Keira. Niemals hätte ich gedacht, dass ich diese Worte je zu einer Frau sagen würde. Doch jetzt … Ich will sie nicht nur einmal sagen, sondern immer und immer wieder. Nicht nur sagen, sondern sie leben. Und ich sehne mich danach, diese Worte von dir zu hören. Existiert überhaupt die Chance, dass du das je tun wirst?“
„Ich liebe dich auch, Jay.“ Das konnte sie sagen, es war die Wahrheit.
Sein Kuss war so zärtlich und sanft, so liebevoll und warm, so köstlich und einmalig. Und doch wusste sie, dass es der letzte Kuss sein würde.
„Ich habe übrigens kürzlich einen Brief erhalten, in dem man mir für meine großzügige Spende dankt. Ich nehme an, Geld einer Institution zu spenden, die sich um Prostituierte kümmert, war deine Art, um mir meine Beleidigungen bewusst zu machen. Erstens, weil ich dich falsch beurteilt habe, und zweitens, weil ich glaubte, dich kaufen zu können?“
Es wäre einfach, die Ausweichmöglichkeit zu nutzen, die er ihr bot, und schlicht zuzustimmen. Aber es wäre auch feige. Keira holte tief Luft und löste sich aus seinen Armen, richtete den Blick starr auf einen Punkt an der Wand. Sie konnte Jay nicht ansehen.
„Um genau zu sein, ich habe dein Geld wegen meiner Mutter an diese Institution überwiesen. Meine Mutter war eine Prostituierte, und sie war drogensüchtig.“
Schweigen.
„Sie starb, als ich zwölf Jahre alt war. Wie die Mutter, so die Tochter – das sagte die Großtante immer, die mich damals aufgenommen hat. Und das ist doch genau das, was die Leute denken, nicht wahr? Es gab eine Zeit, da hatte ich panische Angst davor, so wie zu werden wie meine Mutter. Sie selbst hat oft zu mir gesagt, dass es unweigerlich passieren würde.“
Jay sagte noch immer kein Wort.
„Du bist schockiert. Natürlich. Schockiert und angewidert. Das sind die Leute immer. Welche Eltern wollen ihr Kind schon mit einem Mädchen spielen lassen, deren Mutter ihren Körper verkauft, um ihre Drogensucht zu finanzieren? Die Eltern der Kinder, mit denen ich damals auf die Schule ging, auf jeden Fall nicht. Und wer sollte es ihnen verübeln? Welcher Mann würde eine Beziehung mit einer Frau riskieren, deren Mutter Sex für Geld an unzählige Männer verkauft hat? Jetzt wirst du mich nicht mehr wollen, Jay, das weiß ich. Du hast eine Verantwortung, gegenüber deinem Namen und deiner Position.“
„Deshalb bist du also Jungfrau geblieben? Wegen deiner Mutter?“
Seine Frage überraschte sie. Sie sah in sein Gesicht und erkannte in seinen grauen Augen so etwas wie … wie Mitgefühl. Sollte da jetzt nicht Verachtung zu sehen sein? „Ja.“
„Erzähl mir davon.“
Keira wollte sich weigern, doch stattdessen hörte sie sich ihre Geschichte erzählen – über den Schmerz in ihrer Kindheit, ihre konfusen Gefühle, die Liebe für, die Verzweiflung über, die Wut auf ihre Mutter.
„Als ich zu begreifen begann, da hasste ich das, was sie tat“, sagte sie zu Jay. „Und manchmal hasste ich auch sie. Als ich älter wurde, stritten wir uns oft. Ich ließ sie wissen, wie sehr ich mich für sie schämte, und sagte ihr, dass ich niemals so enden würde wie sie. Sie lachte nur und meinte, mir bliebe gar keine Wahl. Da ich ihre Tochter sei, hätte ich auch ihr ungezügeltes Wesen geerbt. Früher oder später würde ich einen Jungen treffen, und dann würde es losgehen. Sie sagte, es könne gar nicht anders kommen. Wie sie würde ich all die falschen Männer aus all den falschen Gründen lieben.“
Keira versuchte, die aufsteigenden Tränen fortzublinzeln. Tiefe Traurigkeit überkam sie. Ihre Mutter musste sich einsam und
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