Verfuehrung im Palast der Liebe
über die Wangen, als sie mit gebrochener Stimme hervorbrachte: „Das war wunderbar.“
Mit dem Daumen wischte Jay ihr eine Träne von der Haut. „Das war erst der Anfang“, flüsterte er rau. „Es wird noch viele solcher Wunder für uns geben, die wir gemeinsam erleben werden.“
12. KAPITEL
Jay sollte recht behalten. Aus Tagen wurden Wochen, aus Wochen Monaten, inzwischen drei, um genau zu sein, und diese Zeit brachte Nacht um Nacht neue Wunder mit sich. Hatte Keira geglaubt, die Höhen der Lust bereits erreicht zu haben, so musste sie feststellen, dass diese Höhen nur erste Hügel gewesen waren, nichts weiter.
Jay war ein großartiger Lehrer, und Keira gestand ein, dass sie eine wissbegierige Schülerin war. Seine Lust wurde zu ihrer Lust und umgekehrt.
An manchen Abenden würden sie auf den Diwanen liegen, und dann würde Jay ihr die wunderschönen Illustrationen einer antiken Ausgabe des Kamasutras zeigen. Dieses Buch hatte er als junger Mann auf einem Basar gekauft, wie er Keira erzählte. Einst hatte es einem Maharadscha gehört, dessen gesamte Privatbibliothek verkauft worden war. Das Buch war von unschätzbarem Wert, sowohl historisch, kulturell als auch finanziell.
Mit sinnlicher tiefer Stimme las Jay ihr die Texte vor, gemeinsam betrachteten sie die Bilder, und dann würde er Keira auffordern, sich eine Position auszusuchen, die sie gemeinsam erfahren konnten. Er neckte sie zärtlich und schlug vor, dass sie vielleicht alphabetisch vorgehen sollten, für jede Nacht einen anderen Buchstaben und eine andere Position.
In manchen Nächten würden sie sich bis zur Erschöpfung lieben, bis das Morgengrauen aufzog, und entgegen Keiras Vermutung – wahrscheinlich auch zu Jays Erstaunen – brannte Jays Verlangen nicht etwa aus, sondern schien ständig weiter anzuwachsen.
Wenn er von einer Geschäftsreise zurückkehrte, dann brach er sogar seine eigene Regel, keinen Sex im Büro zu haben, derart intensiv war sein Verlangen nach ihr.
Sei n körperliches Verlangen, rief sich Keira bedrückt in Erinnerung. Denn das war alles, was er für sie fühlte. Körperliches Verlangen.
Sie hatte unaussprechliche Freuden erfahren, die sie sich nie erträumt hätte, doch Hand in Hand mit diesen Freuden ging auch ein Schmerz einher, der sich stetig mehr bemerkbar gemacht hatte und nun die Freuden übertraf. Dieser Schmerz stammte nicht nur aus dem Wissen, dass Jay ihre tiefen Empfindungen niemals erwidern würde, sondern vor allem aus den eigenen gemischten Gefühlen von Schuld und Trauer wegen ihrer Herkunft. Schuld, weil sie die Wahrheit über ihren Hintergrund vor Jay verschwieg, und Trauer, weil sie für ihn niemals wirklich sie selbst sein könnte. Niemals würde sie die Art Sicherheit erfahren, die daraus erstand, als eigenständiger Mensch akzeptiert zu werden.
In Wahrheit lebte sie also nicht nur eine Lüge, sondern gleich mehrere. So konnte es nicht weitergehen. Es zerstörte sie. Sie lebte in ständiger Angst, in der Hitze der Leidenschaft könne ihr das Eingeständnis entschlüpfen, dass sie Jay liebte. Auch fürchtete sie sich vor dem Moment, da er ihrer müde wurde und die Beziehung beendete. Gleichzeitig sehnte sich ein großer Teil von ihr nach dem Frieden, der erst kommen würde, wenn sie die Täuschung ein für alle Mal aufgeben konnte.
Die Vorstellung, welche Verachtung in seinem Blick liegen würde, wenn er die Wahrheit über sie erfuhr und sie dann zurückstoßen würde, war unerträglich. Es würde unweigerlich kommen, das wusste sie. Sie hatte nicht vergessen, wie er sie verurteilt hatte, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Er hatte sie für eine Frau gehalten, die ihren Körper anbot, um im Gegenzug materielle Vergünstigungen zu erhalten.
Wie die Mutter, so die Tochter. Wie oft hatte sie diese Worte nicht von ihrer Großtante gehört? Sie hatten sich in ihren Kopf eingebrannt. Es war ein Fluch, mit dem sie belegt war, und eine Angst, die sie ihr Leben lang verfolgen würde.
Sie hatte ihrem Verlangen nachgeben und eingewilligt, Jays Geliebte zu werden, weil sie davon ausgegangen war, dass es nur wenige Tage dauern würde, bis seine Begierde nach ihr erlöschen würde. Sie hatte darüber nachgedacht und dann entschieden, dass es lohnenswert sei, dies auszuhalten, um der Freuden und Erinnerungen willen, die sie dafür erhalten würde. Doch nun waren es schon drei Monate, und die Sehnsucht nach dem, was sie niemals würde haben können, wurde immer stärker. Bald würde diese
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