Verfuehrung in bester Gesellschaft
genommen worden. Als würde ein Sonnenstrahl vom Himmel ihm plötzlich den Weg weisen.
Er war verliebt. Er war wahnsinnig verliebt in seine Frau.
Er konnte nicht verstehen, warum er das nicht schon früher erkannt hatte. Warum hatte er es nur nicht gewusst?
Aber schließlich war er noch nie zuvor verliebt gewesen. Er hatte seine Gefühle einfach nicht verstanden.
Die Kutschfahrt zurück zu seinem Haus schien eine Ewigkeit zu dauern. Er konnte es kaum erwarten, Violet zu sagen, dass er sie liebte. Er konnte es nicht abwarten, den Ausdruck auf ihrem schönen Gesicht zu sehen, wenn er die Worte aussprach. Am liebsten hätte er ein Lied gepfiffen, als er sich in die Polster zurücklehnte und im Stillen wünschte, Bellows würde die Pferde zu einer schnelleren Gangart antreiben. Doch es herrschte dichter Verkehr auf den Straßen, so schnell würde das nicht gehen.
Um sich die Zeit zu vertreiben, überlegte er sich, was er sagen wollte, und es erstaunte ihn, wie schwer es ihm fiel, die richtigen Worte zu finden. Immer und immer wieder gingen sie ihm im Kopf herum und trotzdem hörten sie sich falsch an. Er sagte sich, er würde ihr einfach sagen, wie er sich fühlte, wenn der Zeitpunkt dafür gekommen war.
Er würde ihr sagen, dass er sie liebte.
Rule konnte nur hoffen, dass ihr die Worte dann noch ebenso viel bedeuten würden wie ihm.
Violet sehnte sich danach, den Sonnenschein im Gesicht zu spüren und ging hinaus in den Garten. Die Pfingstrosen blühten und Violet kniete nieder, um eine der strahlendgelben Blüten zu bewundern. Sie leuchteten in derselben Farbe wie ihr besticktes Musselinkleid.
Sie streckte den Arm aus und zupfte ein Unkraut heraus, das der Gärtner übersehen hatte. Dabei versuchte sie, nicht an Rule zu denken und wohin er wohl an diesem Morgen gegangen sein mochte. Nach den Abenteuern der vergangenen Nacht hatte sie länger geschlafen, als sie eigentlich beabsichtigt hatte. Als sie erwachte, war er fort gewesen. Nicht einmal Hatfield hatte gewusst, wohin er gegangen war.
Wenigstens war er jetzt in Sicherheit. Endlich hatte die Polizei den richtigen Mann eingesperrt. Rules Leben war nicht mehr in Gefahr. Violet fand Trost in der Tatsache, dass sie ihren Anteil dazu beigetragen hatte, seine Unschuld zu beweisen. Sie versuchte, sich damit zufriedenzugeben und nicht darüber nachzudenken, dass Rule sie niemals wirklich lieben würde.
„Na, wenn das heute Morgen kein schöner Anblick ist.“
Violet stockte der Atem. Sie kannte diese Stimme und drehte sich um. Vor ihr im Garten stand Simon Pratt. Zerlumpt und dreckig, wie er war, blickte er sie herausfordernd an.
Sie ließ den Blick zu den Flügeltüren schweifen, aber es war niemand zu sehen. „Was … was tun Sie hier?“
„Ich bin Ihretwegen gekommen, Mädchen. Sie haben mir meine Kaminkehrer weggenommen. Ich habe Sie gewarnt. Niemand nimmt Simon Pratt ungestraft etwas weg.“
Ihr Herz schlug schneller. Etwas schimmerte im Sonnenlicht und zum ersten Mal bemerkte sie das Messer mit der langen, geschwungenen Klinge in seiner Hand. Violet schrie auf und wollte zur Tür laufen, aber Pratt hielt sie fest.
„Ich würde mich an Ihrer Stelle benehmen. Oder möchten Sie die Klinge kosten?“
Violet stand zitternd da, hinter sich den hageren Mann, der einen seiner sehnigen Arme um ihre Kehle gelegt hatte und sie an sich presste. Furcht durchströmte sie und ließ ihre Knie zittern.
Pratt zog sie einige Schritte rückwärts den Weg entlang, der zum hinteren Tor führte. Auf demselben Weg musste er auch hereingekommen sein. Als er jemanden durch die Flügeltüren auf die Terrasse heraustreten sah, erstarrte er und packte sie fester.
Violet unterdrückte einen Aufschrei. Rule stand groß und furchteinflößend am Geländer, den Blick unverwandt auf Pratt gerichtet.
„Lassen Sie sie los.“ Der bedrohliche Klang seiner Stimme ließ sie erschauern.
„Bleiben Sie, wo Sie sind! Kommen Sie ja nicht näher“, sagte Pratt warnend.
Rule sah Violet an, und eine seltsame Ruhe überkam sie. Rule war da. Er würde nicht zulassen, dass Pratt ihr wehtat. Was immer nötig sein mochte, Rule würde dafür sorgen, dass sie in Sicherheit war.
„Ich sagte, Sie sollen sie loslassen.“
Pratt lachte. Es klang abscheulich. „Sie hat mir die Kaminkehrer weggenommen. Seitdem habe ich keine Arbeit mehr.“
„Sie haben Kinder eingesetzt, Pratt. Das war gegen das Gesetz.“
„Das geht niemanden etwas an.“ Er winkte mit dem Messer. „Ich habe sie vor dem
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