Verfuehrung in bester Gesellschaft
hörte.
„Bleiben Sie auf der Stelle stehen, Montgomery.“ Er kannte diese Stimme. Er hörte das Klicken einer Pistole und sah, wie der Lauf im schwachen Schein einer fernen Laterne kurz aufblitzte. „Wenn Sie das nicht tun, muss ich Sie erschießen.“
Violet Dewar. Wäre er nicht so wütend, hätte er vermutlich gelacht. Glaubte sie wirklich, dass sie ihn aufhalten könnte?
„Legen Sie die Waffe weg, Mylady, ehe Sie sich wehtun.“ Er ging weiter, entschlossen zu fliehen. Die zierliche Frau trat aus den Schatten in den Schein der Laterne und ihr feuerrotes Haar leuchtete um ihr hübsches Gesicht.
Einen Moment lang bewunderte er sie beinahe. Dann sah er, dass sie mit der Waffe direkt auf sein Herz zielte.
„Ich sagte Ihnen, Sie sollen stehen bleiben.“
Er knirschte mit den Zähnen, als eine neue Welle des Zorns in ihm aufstieg. „Ich muss fort. Wir wissen beide, dass Sie mich nicht erschießen werden.“
„Mein Vater hat Waffen produziert. Er lehrte mich zu schießen und keine Angst davor zu haben, abzudrücken. Diese Pistole hat zwei Schuss, Mr Montgomery. Das ist mehr als genug, um Sie an Ort und Stelle zu töten.“
Sie wirkte zierlich und sehr weiblich, wie sie da die kleine Waffe in der Hand hielt, und nicht im Geringsten furchteinflößend. „Sie sind eine Frau, Sie bringen Kinder zur Welt. Sie werden mich nicht umbringen.“
Er trat vor und wollte an ihr vorbeigehen.
Violet drückte ab.
Montgomery schrie auf und fiel zu Boden. Sein Knie war zerschmettert, er blutete stark und vermochte sich nicht länger auf den Beinen zu halten. „Sie kleines Miststück, Sie haben auf mich geschossen!“
„Ich habe Ihnen gesagt, Sie sollen stehen bleiben. Und wenn Sie nicht da bleiben, wo Sie sind, dann schieße ich noch einmal.“
Die Unruhe an Deck erregte ihre Aufmerksamkeit. Männer liefen in heller Aufregung zur Gangway, Rule vorneweg.
„Violet!“ Er lief die Gangway hinunter und blieb abrupt stehen, als er bei Montgomery ankam. Verblüfft sah er sie an. „Du hast auf ihn geschossen?“
„Er hat versucht zu fliehen.“
„Vermutlich werde ich mein Bein verlieren!“, klagte Montgomery.
„Sie haben es in Kauf genommen, dass mein Gemahl sein Leben verliert“, gab Violet zurück.
Rule streckte die Arme nach ihr aus und nahm ihr sanft die Waffe aus der Hand. „Ist schon gut, Liebes. Ich nehme sie.“ In dem Augenblick, da er ihr die Waffe abgenommen hatte, begann sie zu zittern. Es war das erste – und hoffentlich auch das letzte – Mal, dass sie tatsächlich auf jemanden geschossen hatte.
Rule zog sie an sich, einen Arm schützend um ihre Schultern gelegt. Der Kapitän blieb neben Montgomery stehen und kniete dann nieder, um sich um das blutende Bein zu kümmern. Gleich darauf stürzte eine ganze Gruppe von Männern auf sie zu, darunter Rules Brüder, Jeffrey Burnett und ein halbes Dutzend Polizisten.
Der Duke erreichte sie als Erster. „Geht es euch gut?“
Rule schob Violets Pistole in seine Rocktasche und zog sie fester an sich. „Meine tapfere kleine Frau hat Whitneys Mörder gestellt.“ Er warf ihr einen finsteren Blick zu, aber seine Augen strahlten vor Stolz. „Ich dachte, ich hätte gesagt, du solltest zuerst einen Warnschuss abgeben.“
Violet lächelte nur. „Das habe ich. Er traf nur versehentlich Mr Montgomerys Bein. Du weißt doch, wie schlecht ich schieße.“
Rule verzog das Gesicht. „Ja, Liebste, das gehört zu den Dingen, die ich allmählich über dich lerne.“
Violet lehnte sich an ihn. Seine Wärme und seine Umarmung ließen sie erschauern.
Es dauerte eine Weile, bis die Beamten die Ereignisse des Abends geklärt hatten. Aber endlich nahmen die Ermittler J. P. Montgomery in Gewahrsam und brachten ihn in einem Fahrzeug auf die Wache. Jeffrey fuhr allein zurück ins Hotel. Reese und Royal gratulierten Violet und Rule zu ihrer guten Arbeit und brachen auch nach Hause auf.
Müde stiegen Violet und Rule in die wartende Kutsche. Rule setzte sich neben sie und legt seinen Arm um sie.
„Du warst wunderbar heute Nacht, Liebes. Ich dachte, ich traue meinen Augen nicht, als ich sah, wie du die Waffe auf Montgomery gerichtet hast.“
Sie lächelte ihn müde an. „Die Hauptsache ist, dass du in Sicherheit bist. Deine Unschuld wird nicht länger angezweifelt. Der wahre Täter ist überführt.“
„Das verdanke ich zu einem großen Teil auch dir.“ Er neigte den Kopf und küsste sie sanft.
Violet legte ihm die Arme um den Hals und erwiderte seinen Kuss.
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