Verfuehrung in bester Gesellschaft
Violet ist alles das und noch mehr. Sie ist klug, mutig, süß und leidenschaftlich. Sie hat alles, was ein Mann sich von einer Frau nur wünschen kann.“
„Es ist offensichtlich, dass du sie begehrst. Wenn du mit ihr zusammen bist, kannst du die Finger kaum von ihr lassen. Und dir scheint etwas an ihr zu liegen.“
„Natürlich liegt mir etwas an ihr.“
„Was ist dann das Problem?“
„Das Problem ist, dass Violet möchte, dass ich sie liebe. Ich glaube nicht, dass sie je mit einem Mann glücklich werden könnte, der nicht fähig ist zur Liebe. Aber ich weiß nicht, wie ich das machen soll. Ich habe keine Ahnung, wie sich das anfühlen würde. Ich habe überhaupt keine Ahnung, wie es sich anfühlt, eine Frau zu lieben.“ Rule ließ sich auf das Sofa sinken und barg sein Gesicht in den Händen.
Royal trat zu ihm. Er spürte den Schmerz seines Bruders. „Ich weiß, dass du nie eine Mutter hattest. Mir ist bewusst, dass die Frauen, mit denen du in der Vergangenheit zu tun hattest, deine Liebe nicht verdienten. Aber Violet ist anders! Sie ist deine Gemahlin.“
Rule schluckte. „Ich weiß.“ Einen Moment lang glaubte Royal, Tränen in den Augen seines Bruders zu sehen.
„Vielleicht kann ich dir helfen“, sagte Royal leise und legte eine Hand auf Rules Schulter. „Du willst wissen, was Liebe ist? Ich will versuchen, es dir zu erklären, kleiner Bruder.“
Rule saß einfach nur da.
„Liebe ist, wenn du an jemanden denkst, egal wie weit weg er ist. Wenn du lieber mit diesem Menschen zusammen sein würdest als mit irgendjemand anderem auf der Welt. Wenn du lächeln musst, wenn er lacht. Wenn du es bewunderst, dass er dir widerspricht – und ihm nicht böse deswegen bist. Wenn du eine andere Frau siehst und denkst, wie schön sie ist, aber dass du auf gar keinen Fall lieber sie in deinem Bett hättest als deine eigene Gemahlin.“
Rule starrte ihn an.
„Liebe ist, wenn du nachts nicht schlafen kannst, weil der Mensch, den du liebst, nicht neben dir liegt … und du dir eine Zukunft ohne diesen Menschen nicht vorstellen kannst. Wenn du deine Frau ansiehst und es dir das Herz zusammenschnürt. Wenn du im stillen Gott dankst, dass er sie dir gegeben hat. Liebe ist, wenn du dich elend fühlst, weil du sie verletzt hast.“ Royal sah in Rules angespanntes Gesicht und fühlte die Spannung in seinen Schultern. „Und ich habe den Verdacht, dass du dich jetzt genau so fühlst.“
Rule sagte eine Weile lang nichts. Dann schluckte er, erhob sich vom Sofa und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. „Ich liebe sie, oder?“
Royal lächelte sanft. „Natürlich tust du das. Ich glaube, du hast sie von dem Moment an geliebt, an dem sie aus Amerika zu dir kam und so kühn in deinem Salon auftrat.“
Die Anspannung wich aus Rules Gesicht. Die Sorgenfalten verschwanden. „Ich liebe sie.“ Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Ich liebe Violet Dewar!“
Royal lachte. „Ich bin froh, dass du es endlich herausgefunden hast. Und nun, da du es weißt, solltest du es ihr besser sagen.“
„Ja. Ja, natürlich.“ Er wandte sich zur Tür. „Ich muss gehen.“
Royal folgte ihm durch die Eingangshalle.
Als Rule an einem vergoldeten Spiegel vorüberkam, der über einem Tisch hing, erhaschte er einen Blick auf sich selbst und blieb stehen. „Ich musste aus dem Haus. Ich habe mich nicht mit Äußerlichkeiten aufgehalten.“ Er strich sich mit der Hand über das unrasierte Kinn. „Ich sehe aus, als hätte ich eine Nacht in der Gosse verbracht.“
„Ich glaube, Violet wird es egal sein, wie du aussiehst.“
Rule schmunzelte, und plötzlich sah er weitaus jünger aus, als er tatsächlich war. „Ja, es ist ihr wirklich egal. Sie liebt mich. Oh, ich danke dir, Royal, dass ich endlich verstehe, wie sich Liebe anfühlt. Und was es bedeutet.“
Rule eilte zur Tür. Royal drehte sich um, als Lily herankam. Bei seinem Anblick begann ihr zartes Gesicht zu leuchten. Sie war blass und schön, liebevoll und freigebig. Durch Lily hatte er gelernt, was Liebe bedeutete. Und so wie er es Rule gesagt hatte, dankte er Gott jeden Tag dafür, dass er sie hatte.
„Das war Rule, oder?“, sagte sie. „Er hatte es aber eilig. Was wollte er von dir?“
„Nur einen brüderlichen Rat.“ Royal drehte sich zu ihr um. Er zog die Frau, die er liebte, in seine Arme und küsste sie zärtlich.
Rule konnte nicht schnell genug nach Hause kommen. Er fühlte sich, als wäre ihm eine schwere Last von den Schultern
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