Verfuehrung in Florenz
einfach aus dem Zimmer gedrängt, ohne auf ihre Einwände zu achten.
„Natürlich siehst du nicht wie eine Nutte aus! Falls es dir noch nicht aufgefallen ist: Das ist der Look dieses Sommers. Ehrlich, Eve, ich dachte, du bist Modejournalistin!“
Gutes Argument. Weil sie ständig über Raphael Di Lazaro nachdachte, hatte sie das fast schon vergessen.
Sobald der Wagen hielt, schwang Sienna anmutig die langen Beine nach draußen und stieg aus. Nervös wartete Eve darauf, dass sich der Ansturm der Paparazzi legte, der bei Siennas Ankunft eingesetzt hatte. Bevor sie selbst den schützenden Raum der Limousine verließ, bemühte sie sich um ein zuversichtliches Lächeln, wurde dabei jedoch durch das goldene Lipgloss behindert, zu dem Sienna sie überredet hatte.
Zu beiden Seiten des roten Teppichs waren mit eigens aus Ägypten importiertem Sand Mini-Dünen angelegt worden. Der Eingang selbst wurde von zwei riesigen Sphinxen flankiert. Doch nicht einmal dieser extravagante Kitsch hatte Eve auf das Spektakel vorbereitet, das sie drinnen erwartete.
„Wie findest du es?“, rief Sienna, um sich trotz des herrschenden Lärms verständlich zu machen, und machte eine Handbewegung, die alles um sie her einschloss. „Habe ich dir nicht gesagt, dass die Lazaro – Partys immer wild sind?“
„Es ist unglaublich“, erwiderte Eve und sah sich um.
Vor vergoldeten Palmen und Pyramiden aus Pappmaschee wurden die berühmten Gäste mit dem neuen Parfum Golden besprüht. Diese Aufgabe übernahmen knapp bekleidete, pseudo-ägyptische Sklavenmädchen mit Kleopatra-Perücken und scharlachrot geschminkten Lippen. Der Duft des Parfums hing schwer in der Luft und erinnerte Eve an eine Mischung aus Obstsalat und Ozon.
In der Mitte des Raums stand ein dreistöckiger Brunnen, der von einer Tutanchamun-Büste gekrönt wurde. Bei näherem Hinsehen sprudelte daraus jedoch nicht Wasser hervor, sondern Champagner – was den Andrang darum herum erklärte. Ein junger Mann mit Lendenschurz tauchte neben Eve und Sienna auf und bot ihnen eine Platte mit Snacks an. Da Sienna ihr verboten hatte, die Brille aufzusetzen, blinzelte Eve etwas unsicher.
„Was ist das denn bloß?“
„Südsee-Königskrabben in Wodka-Marinade, umhüllt von einem Goldblatt von achtzehn Karat“, erklärte der junge Mann.
„Einem Goldblatt?“, wiederholte Eve zaghaft.
Sienna kicherte. „Nein danke, ich muss heute Abend noch fliegen und will nicht die Metalldetektoren auslösen. Komm und trink was!“, rief sie Eve zu und verschwand in der Menge der exotisch gekleideten Gäste.
Es war unmöglich, sich in dem Gedränge einen Weg zu dem Champagnerbrunnen zu bahnen. Eve blieb zurück und hielt über lauter perfekt gestylte Frisuren hinweg Ausschau nach Sienna.
Plötzlich legte sich von hinten ein Arm um ihre Taille, und als sie herumwirbelte, blickte sie in die amüsierten, leicht geröteten Augen des Mannes von der Modenschau. Des Mannes, von dem Raphael sie unbedingt hatte fernhalten wollen.
„So trifft man sich wieder, mein Engel. Ich habe Sie hier ganz allein stehen sehen und frage mich, wie mein Bruder so achtlos sein kann, Sie schutzlos inmitten dieser …“, er blickte sich mit einem ironischen Lächeln um, „… dieser Ausschweifungen allein zu lassen. Sie sind wie eine schöne Rose in einer Vase voller künstlicher Blumen.“ Er ließ den Blick lässig über ihren Körper gleiten und lächelte vielsagend.
„Sie sind Raphaels Bruder?“
„ Si, nur sein Halbbruder, aber dafür doppelt so charmant wie er. Luca Di Lazaro.“
Sie ergriff die dargebotene Rechte. „Eve Middlemiss.“
„Wunderschön“, stellte er sichtlich zufrieden fest und hielt ihre Hand viel länger als nötig in seiner. „Und wo ist Raphael?“
„Das weiß ich nicht.“ Eve gelang es, trotz Lipgloss ein grimmiges Lächeln aufzusetzen. „Aber ich würde ihn gern aufspüren.“
„Nicht weglaufen, bella ! Ich werde Ihnen etwas zu trinken besorgen. Es ist sehr heiß hier drinnen, nicht wahr? Wir brauchen einen Passionsfrucht-Daiquiri!“
„Ich will eigentlich nicht …“
„Keine Sorge, bambina “, meinte er beruhigend und legte ihr die Hand auf die nackte Schulter. „Der enthält kaum Alkohol. Er wird Ihnen schmecken, vertrauen Sie mir.“
Im Privatbüro seines Vaters auf der obersten Etage wechselte Raphael mittels Fernbedienung von einer Überwachungskamera zur nächsten. Antonio hatte immer dafür gesorgt, dass das Sicherheitssystem von Lazaro auf dem modernsten Stand
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