Verfuehrung in Gold
sie wäre in Vergessenheit geraten.« Sein Kichern ging in ein Seufzen über. »Sie spricht mit großer Zuneigung von ihm.«
»Natürlich.«
Man musste ihm seine Zweifel angehört haben, denn Osbourne erwiderte mürrisch: »Ich würde sagen, dass sie ihn sogar besser kannte als ich, und sie hat lediglich ein Jahr in seinem Haus verbracht. Sie ist eine famose Dame und war ohne Frage eine famose Gemahlin. Ein bisschen wild im Glücksspiel, aber das ist auch alles. Ein feines Mädchen.«
»Es lag mir fern, Gegenteiliges zu behaupten. Sie scheint recht reizend.«
»Hm.«
»Wie geht es Ihrem Arm?«
»Das vermaledeite Ding schmerzt teuflisch, was ich mir indes nicht anmerken lassen darf. Lady Osbourne ist ohnehin schon verärgert.«
»Nun, Sie sind offensichtlich gut darin, ihren Zorn mittels Charme zu bändigen.« Osbourne grinste schelmisch. »Das bin ich, junger Mann. Teufel auch, das bin ich.«
Zum Erstaunen der anderen Spieler verließ Emma abrupt den Tisch. Immerhin hatte sie noch zwanzig Pfund im Topf. Aber lieber zwanzig drangeben als zweihundert, und die Gefahr bestand durchaus, denn ihre Gedanken schweiften beständig zu einem gewissen schwarzhaarigen Gentleman ab.
Nachdem sie sich auf dem Korridor umgeschaut und vergewissert hatte, dass er fort war, eilte sie ins Musikzimmer. Sie war nicht auf sein Erscheinen gefasst gewesen – nicht einmal annähernd. Nun wusste sie jedenfalls, warum sie ihn in jener Nacht für einen Engel gehalten hatte. Er verkörperte Schönheit, Macht und Mysterium. Die eisblauen, von schwarzen Wimpern umrahmten Augen, der sinnliche und doch so strenge Mund. Und er war groß, genau wie sie sich erinnerte, groß und unglaublich elegant.
Er hatte sie eindeutig nicht erkannt, also sollte sie erleichtert sein, nicht nervös. Aber er hatte mit ihr geflirtet, und sie spielte mit.
Dumm und unvernünftig wie eh und je. Dabei hatte sie geglaubt, sie hätte ihre Lektion gelernt.
Das Musikzimmer war voller Frauen, und Emma musste sich durch die Tür drängen. Doch die stickige Hitze drinnen wurde um einiges erträglicher, als sie den Namen hörte, auf den sie gehofft hatte.
Somerhart . Sie wollte dringend mehr über den Mann erfahren. Das Glück war ihr hold, denn zufällig schienen alle Damen ganz aufgeregt, dass er hier war.
Emma hatte schon von dem berühmten Duke gehört. Winterhart nannten sie ihn oder Hartless. Nur hatte Emma es nie beachtet, weil sie nicht ahnte, dass sie ihn kannte. Und jetzt … jetzt warfen die Dinge, die sie gehört hatte, einen Trauerschleier über ihre Kindheitsfantasie.
Ja, nach der kurzen Begegnung damals hatte sie ihn zu einem wahren Helden stilisiert. Zwar war er im Haus ihres Vaters gewesen, das berüchtigt war für seine fragwürdigen Gesellschaften, doch er hatte es gleich nach ihrer Begegnung verlassen. Emma hatte die Haushälterin ausgefragt und leider wenig erfahren – nur dass ein Mann Denmore noch in der Nacht nach einer Auseinandersetzung mit ihrem Vater verließ. Deshalb verzieh sie ihm, dass er dort gewesen war. Wahrscheinlich hatte er nicht geahnt, was für Menschen er antreffen würde, und hatte ihren Vater zur Rede gestellt, sowie er es gewahr wurde. Vielleicht hatte er sogar Gewalt angedroht, bevor er schockiert aufbrach.
Als sie es sich vor zehn Jahren ausmalte, hatte es nicht wie eine Fantasie angemutet. Vielmehr war sie damals überzeugt davon, dass es nur so gewesen sein konnte. Womöglich dachte er daran, wiederzukommen und nach ihr zu sehen, sie vor ihrem Leben zu retten.
Aber nein. Nein, natürlich nicht. Der Mann war hübsch, doch er war kein Engel und nie einer gewesen. So viel verriet ihr der Klatsch über ihn. Emma schnappte Satzfetzen auf, während sie durch die Menge schlenderte.
Und flüsternd wurden Geschichten aus seiner Vergangenheit ausgetauscht, die nicht zur Gegenwart passen wollten: dekadent und verrucht, schamlos und unersättlich, grausam und skrupellos.
Er war keine moralische Stütze der Gesellschaft, kein anständiger Gentleman. Anscheinend war er in seiner Jugend bei vielen skandalösen Zusammenkünften zugegen gewesen, auch wenn er heute vorsichtiger war. Er schwieg, was seine Vergnügungen betraf, ging ihnen jedoch immer noch nach. Der Duke war genauso ein Schurke wie ihr Vater, also warum hatte er sich die Mühe gemacht, ein kleines Mädchen zu schützen?
»Er muss derzeit sans Geliebte sein«, hörte Emma Lady Sherbourne tuscheln. »Er lässt sich nur blicken, wenn er eine neue Bettgespielin sucht.«
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