Verfuehrung in Gold
Die Frau sprach abfällig und bemerkte offensichtlich nicht, dass die andere Dame aufmerkte. »Zweifelsohne missfiel ihm Caroline Whites Indiskretion. Sie wissen ja, warum ihm Indiskretion überaus zuwider ist.«
Die andere nickte nachdenklich, ehe sie Lady Sherbourne neugierig fragte: »Haben Sie die Briefe jemals gesehen?«
Emma beugte sich ein wenig vor, um die Antwort mitzuhören, konnte aber leider nur das Wort »schamlos« aufschnappen.
Suchte er nach einer Dame, die ihm sein herzögliches Bett wärmte? Er hatte mit Emma geflirtet und sie beobachtet. Hitze loderte in ihrem Bauch auf, wärmte ihr die Brust und machte sie leicht schwindlig.
Der Gedanke an sein Bett erregte sie, obwohl sie sich bemühte, nichts als Abscheu zu empfinden. Sie hasste es, dass Gefahr und Risiko eine solch verlockende Wirkung auf sie hatten. Es war das Erbe ihres Vaters, und gab sie dieser Regung nach, würde sie denselben Weg einschlagen wie er: stets dem nächsten Abenteuer, der nächsten Eroberung nachjagen, bis ihre Seele unter einem klebrigen Film von Ausschweifungen erstickte.
Nein, sie nahm das Erbe ihres Vaters nicht an. Sie würde nicht zur Hure der Abenteuerlust werden.
Entschlossen bahnte sie sich ihren Weg zurück durch das Gedränge und zum Kartensalon, ohne auf das Gerede über Somerhart und dessen skandalöse Schwester zu achten.
Sie durfte sich nicht ablenken lassen, denn ihr blieben nur noch wenige Wochen, ihre Arbeit zu beenden und die Stadt zu verlassen. Im Moment riskierte sie wenig. Die Osbournes hatten sie unerwartet freundlich aufgenommen, und ihre Zustimmung ebnete ihr den Weg in die feine Gesellschaft. Aber bald kam der Landadel wieder in die Stadt.
Jemand aus Cheshire könnte sie erkennen, und sobald die richtigen Fragen gestellt wurden, flog ihre Scharade auf.
Statt direkt in den Kartensalon zu gehen, blieb Emma abermals an dem Fenster stehen, von dem aus man in den Garten blickte. Sie betrachtete die stille Winterlandschaft und sagte sich, dass sie froh sein sollte, weil Somerhart sie nicht erkannte und er niemandes Engel war.
Ihre Täuschung konnte noch bis zum Saisonbeginn weitergehen. Danach würde sie sich mit ihren Gewinnen zurückziehen und nie wieder einen Fuß in diese unfreundliche Welt der vornehmen Gesellschaft setzen.
Vor allem war Emma besser dran, falls es stimmte, dass der Duke of Somerhart ein ebenso herzloser Schurke war wie ihr Vater. Ihr blieb noch ein einziger Traum, eine Fantasie, und die hatte nichts mit einem Mann zu tun, der zu ihrer Rettung herbeigeeilt kam.
Hart war von einer untypischen Vorfreude erfüllt, als er zum Frühstücksraum schritt. Für gewöhnlich schätzte er es nicht, in großer Gesellschaft zu speisen. Vielmehr nahm er sein Frühstück grundsätzlich allein in seinem Zimmer ein, wenn er in fremden Häusern zu Gast war. Heute Morgen jedoch wollte er unbedingt einen anderen Gast treffen, auch wenn die Chance eher gering war. Sie hatte sich gestern um Mitternacht zurückgezogen, noch bevor das Nachtmahl serviert wurde. Jetzt war es später Vormittag, beinahe elf Uhr, und sie war sicherlich schon vor Stunden aufgestanden.
Er warf einen kurzen Blick zu einer Fensterreihe links von ihm. Sonnenlicht strömte herein und ließ das Eis an den Fensterscheiben glitzern. Dort hatte er sie gestern Abend gesehen, die Fingerspitzen sehnsüchtig an das Glas gepresst. Der Anblick hatte ihn bezaubert, und fasziniert beobachtete er sie, statt sich ihr zu nähern. Dann war Lady Denmore auf das Fest zurückgekehrt. Als eine Gruppe anderer Gäste seinen Blick auf sie versperrte, war er ihr nicht nachgeeilt. Ihre Augen hatten ihn davon abgehalten, denn sie wirkten erschreckend distanziert. Er bezweifelte, dass sie ihn wahrgenommen hätte, selbst wenn er ihr nachgelaufen wäre.
Sie war die Treppe hinaufgeschwebt und hatte sich nicht wieder sehen lassen. Vielleicht war sie nur angetrunken gewesen, nicht einsam und verloren.
Hart schüttelte den Kopf bei der Erinnerung. Was für ein Unsinn! Der Kaffeeduft zerstreute seine Gedanken und führte ihn in den Frühstückssalon. An einem der Tische saßen Leute, mit denen Hart schon seit Jahren Belanglosigkeiten austauschte. Es waren Männer, die seinen Titel bewunderten oder ihn ihm neideten; Frauen, die seine Reputation verabscheuten oder sie aufregend fanden; Idioten, die seine skandalöse Schwester ignorieren würden, sollte sie unter ihnen sein. Fremde, Bekannte, falsche Freunde. Und keine Emma.
»Der Schnee schmilzt«, sagte ein
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