Verführung in Manhattan
und stand auf. Sie erkannte auf den ersten Blick, dass dies ein Kuss zwischen Liebenden war.
„Mikhail.“ Sydney bog sich etwas zurück. „Ich bin noch nicht fertig.“ Mit einer Hand stemmte sie sich gegen seine Brust und deutete mit der anderen hilflos zu ihrer Mutter.
Er bemerkte Margerites verärgerte Miene und schob Sydney rasch neben sich. Es war eine ausgesprochen beschützende Geste. „Hallo, Margerite.“
„Sagt man nicht, dass man Geschäftliches und Privates niemals verbinden soll?“ fragte Margerite steif und betrachtete Mikhail von oben bis unten. „Aber von solchen Grundsätzen halten Sie wohl nicht viel, oder?“
„Manche Regeln sind wichtig, andere nicht.“ Er sprach leise, aber ohne Bedauern.
Verärgert wandte Margerite sich ab. „Ich möchte einen Moment mit dir allein reden, Sydney.“
Sydney betrachtete die hoch aufgerichtete Gestalt ihrer Mutter, und ihre Schläfen begannen zu pochen. „Würdest du meinen Koffer bitte schon in den Wagen bringen, Mikhail? Ich komme gleich nach.“
Er fasste ihr Kinn und sah ihr tief in die Augen. „Ich bleibe bei dir.“
„Nein.“ Sie ergriff sein Handgelenk. „Es wäre mir lieber, wenn du uns allein lassen würdest. Nur ein paar Minuten.“ Ihr Griff wurde fester. „Bitte.“
Er hatte keine andere Wahl. Er nahm Sydneys Koffer und ging hinaus. Sobald er die Tür geschlossen hatte, fuhr Margerite herum.
Sydney wappnete sich vorsorglich. Ihre Mutter setzte selten zu einer Schimpftirade an. Aber wenn sie es tat, wurde jedes Mal eine hässliche Szene daraus.
„Du Närrin. Du hast mit ihm geschlafen.“
„Ich weiß zwar nicht, was dich das angeht, aber … ja“, antwortete Sydney ruhig.
„Glaubst du etwa, du wärest erfahren genug, um mit einem solchen Mann fertig zu werden?“ Verärgert stellte Margerite ihr Glas ab. „Dieses schäbige Verhältnis könnte alles verderben, wofür ich gearbeitet habe. Deine Scheidung von Peter hat schon genügend Schaden angerichtet, aber das konnte ich einigermaßen hinbiegen. Und jetzt das. Sich für ein Wochenende in ein billiges Motel davonzustehlen, um mit diesem …“
Sydney ballte die Fäuste. „An meiner Beziehung zu Mikhail ist nichts schäbig, außerdem stehle ich mich nicht heimlich davon. Und was Peter betrifft, möchte ich nicht darüber reden.“
Mit hartem Blick kam Margerite näher. „Seit deiner Geburt habe ich alles in meiner Macht Stehende getan, damit du bekamst, was dir als einer Hayward zustand: die besten Schulen, die passenden Freunde und sogar den richtigen Ehemann. Und jetzt machst du alle meine Pläne, alle meine Opfer zunichte. Und wozu das Ganze?“ Erregt ging sie im Zimmer auf und ab, während Sydney schweigend stehen blieb. „Glaub mir, ich weiß, wie der Mann ist. Ich habe selbst mit dem Gedanken gespielt, eine diskrete Affäre mit ihm zu beginnen.“ Ihre Eitelkeit war noch immer schwer gekränkt. „Jede Frau hat das Recht, sich gelegentlich mit solch einem Prachtkerl zu amüsieren. Sein künstlerisches Talent und sein Ruf sprechen gewiss zu seinen Gunsten. Aberwoher stammt er denn? Seine Vorfahren waren Kosaken, Bauern und Tagelöhner. Ich besäße genügend Erfahrung, um mit ihm fertig zu werden – falls ich es gewollt hätte“, fuhr sie wütend fort. „Außerdem bin ich zurzeit ungebunden, sodass mir eine Affäre nicht schaden könnte. Du stehst dagegen kurz vor deiner Verlobung mit Channing. Meinst du, er will dich noch, wenn er erfährt, dass du mit diesem Sexprotz im Bett gewesen bist?“
„Jetzt reicht es!“ Sydney trat vor und fasste ihre Mutter an Arm. „Es reicht mir schon lange. Für jemanden, der so stolz auf seine Zugehörigkeit zu den Haywards ist, hast du nicht viel getan, um den Familiennamen in Ehren zu halten. Für mich war es immer eine Belastung, eine Hayward zu sein. Ich arbeite seit Wochen Tag und Nacht, damit der Name über jeden Zweifel erhaben bleibt. Was ich in meiner Freizeit tue und mit wem ich sie verbringe, geht niemanden etwas an.“
Kreidebleich riss Margerite sich los. In diesem Ton hatte Sydney noch nie mit ihr gesprochen. „Wage ja nicht, noch einmal so mit mir zu reden. Bist du derart scharf auf den Mann, dass du allen Anstand vergisst?“
„Ich habe niemals vergessen, was ich der Familie schuldig bin“, fuhr Sydney ihre Mutter an. „Und vernünftiger als jetzt kann ich nicht sein.“ Sie wundertesich selbst, wie verbittert ihre Stimme klang, aber sie konnte es nicht ändern. „Hör mir gut zu, Mutter. Ich habe
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