Verführung in Manhattan
ihren Hals.
„Wo sind wir?“ fragte Sydney schläfrig.
„Auf dem Schild stand: Wunderbares wildes West Virginia.“ Er knabberte an ihrer Unterlippe. „Du wirst mir schon sagen, ob es wirklich wild und romantisch ist.“
Jeder Ort auf der Welt ist wunderbar, wenn Mikhailbei mir ist, dachte sie und legte die Arme um ihn. Er stöhnte leise, denn der Schalthebel drückte sich in einen besonders empfindlichen Teil seines Körpers. „Ich glaube, ich werde alt. Es ist gar nicht so einfach, eine Frau im Wagen zu verführen.“
„Ich finde, du machst das recht gut.“
Heftige Erregung durchrieselte ihn und gaukelte ihm erotische Bilder vor. Doch er schüttelte den Kopf. „Ich traue mich nicht, weil Mama jeden Moment aus dem Fenster sehen kann. Finden wir lieber heraus, wo du schlafen sollst. Ich schleiche mich später zu dir.“
Sydney lachte, während Mikhail seine langen Beine aus der offenen Wagentür streckte. Sie schob ihr Haar zurück und betrachtete das große Backsteinhaus. Im Erdgeschoss brannte noch Licht. Hohe Laubbäume spendeten im Sommer Schatten, und eine hübsche Buchsbaumhecke schirmte die Blicke von der Straße ab.
Mikhail holte das Gepäck aus dem Wagen, und sie stiegen die lange Steintreppe hinauf, die den ansteigenden Rasen durchzog. Der Vorgarten war keine gepflegte Anlage, sondern Dutzende von Blumen wuchsen scheinbar wild und willkürlich durcheinander. Im Lichtschein aus den Fenstern entdeckte Sydney ein Dreirad und sah, dass ein Petunienbeet vor kurzem kräftig durchwühlt worden war.
„Ich fürchte, das ist Iwans Werk“, meinte Mikhail, der ihrem Blick gefolgt war. „Wenn er schlau ist, versteckt er sich, bis es wieder heimgeht.“
Während sie die Veranda überquerten, hörten sie Musik und Gelächter.
„Mir scheint, deine Familie ist noch auf“, sagte Sydney. „Ich dachte, um diese Uhrzeit schliefen alle längst.“
„Wir haben nur zwei Tage füreinander Zeit und werden sicher nicht viel Schlaf bekommen.“ Er öffnete die Glastür und trat ohne anzuklopfen ein. Nachdem er die Koffer an der Treppe abgestellt hatte, nahm er ihre Hand und zog Sydney durch die Diele zu dem Raum, aus dem die Geräusche kamen.
Sie merkte, dass sie instinktiv ihre reservierte Haltung wieder einnahm. Sie konnte es nicht ändern. Von klein auf hatte man ihr eingeschärft, wie sie Fremde zu begrüßen habe: höflich und kühl, mit einem festen Händedruck und einem schlichten „Guten Tag.“
„Ha!“ rief Mikhail. Er hob eine entzückende zierliche Frau in einem dunkelroten Sonnenkleid hoch und wirbelte sie so im Kreis, dass ihre schwarzen Locken flogen.
„Immer kommst du zu spät“, sagte Natasha und küsste ihren Bruder lachend auf beide Wangen. „Hast du mir was mitgebracht?“
„Vielleicht habe ich etwas für dich im Koffer.“ Er setzte seine Schwester ab und wandte sich zu dem Mann am Klavier. „Passt du gut auf sie auf?“
„Wenn sie mich lässt …“ Spence Kimball stand auf und schüttelte Mikhail die Hand. „Sie regt sich deinetwegen schon seit einer Stunde auf.“
„Ich rege mich nie auf“, verbesserte Natasha ihren Mann. Sie drehte sich zu Sydney und lächelte herzlich. Doch gleichzeitig war sie besorgt. In diese kühle, distanzierte Frau war Mikhail nach übereinstimmender Meinung ihrer New Yorker Familie unsterblich verliebt? „Du hast mich deiner Freundin noch nicht vorgestellt.“
„Sydney Hayward.“ Ungeduldig schob Mikhail Sydney nach vorn, die sich zurückgehalten hatte. „Und das ist meine Schwester Natasha.“
„Nett, Sie kennen zu lernen.“ Sydney reichte Natasha die Hand. „Tut mir Leid, dass wir so spät kommen. Es ist meine Schuld.“
„Das war doch nur ein Scherz. Sie sind uns herzlich willkommen. Die New Yorker kennen Sie ja schon, und dies ist mein Mann Spence.“
Natashas Mann trat verblüfft vor. „Sydney? Sydney Hayward?“
Plötzlich strahlte Sydney über das ganze Gesicht. „Spence Kimball! Ich hatte ja keine Ahnung.“ Herzlich schüttelte sie dem Freund ihrer Kinderzeit die Hände. „Mutter hatte mir irgendwann erzählt, du wärst in den Süden gezogen.“
„Ihr kennt euch?“ fragte Natasha und wechselte einen Blick mit Nadia, die mit zwei frischen Weingläsern dazukam.
„Ich kenne Sydney seit frühester Jugend“, antwortete Spence. „Aber ich habe sie seit ihrer …“ Er beendete den Satz nicht, denn er war auf Sydneys Hochzeit gewesen und wusste, dass ihre Ehe gescheitert war.
„Das ist schon lange her“, murmelte
Weitere Kostenlose Bücher