Verführung in weißer Seide
Missbilligend schüttelte Lianna die braunen Locken. “Schließlich hast du jetzt eine gute Gelegenheit, ihn besser kennenzulernen.”
“Falls du das vergessen hast: Ich liebe einen anderen.”
Seufzend biss Lianna sich auf die Unterlippe und betrachtete Tess besorgt. “Glaubst du, Phillip kommt jemals zurück?”
Tess konzentrierte sich ganz darauf, das Perlenkollier zurechtzurücken. Im Moment wollte sie nicht an Phillip denken, denn sie stand hier im Brautkleid, und er war nicht der Bräutigam. “Ich hoffe es inständig.”
“Und wie lange willst du deshalb zu leben aufhören?”, wollte Lianna wissen. “Über ein Jahr lang hat jetzt niemand auch nur ein Wort von ihm gehört. Und du triffst dich nicht einmal mit anderen Männern. Jetzt kommst du mit diesem umwerfenden Traummann zusammen, da kannst du doch wenigstens gelassen abwarten, was sich daraus entwickelt. Auf jeden Fall solltest du eines dieser hinreißenden Negligés einpacken und es heute Nacht tragen. Mal sehen, was passiert.”
Das konnte Tess sich sehr gut ausmalen. Es würde in einer unhaltbaren Situation enden. Und eine von Coles Eroberungen zu werden und über fünf Monate mit ihm in seinem Haus zu wohnen, das wollte sie auf keinen Fall. Tess war bisher nur mit einem Mann zusammen gewesen und hatte für flüchtige Affären nichts übrig. An dieser Einstellung konnte auch kein sexy Millionär mit samtweicher Stimme etwas ändern.
Aber der Gedanke daran, mit ihm ins Bett zu gehen, ließ ihren Puls schneller schlagen. “Vergiss das mit dem Negligé”, sagte sie zu Lianna. “Cole hat seine Geliebten, und ich hänge immer noch an Phillip.”
Lianna wollte etwas erwidern, aber da kam Tess’ Mutter herein. “Die Limousine ist da”, verkündete sie aufgeregt. “Und zwei große junge Bodyguards erwarten dich.”
“Danke, Mom.” Tess Herz raste wie wild. Sie wandte sich zu Lianna und gab ihr die Hand. “Dir auch danke für deine Hilfe, Lianna.”
“In Gedanken bin ich bei dir. Allerdings werde ich in erster Linie nur deinen Bräutigam anstarren.” Lachend schob sie Tess aus dem Ankleidezimmer.
“Vergiss die Blumen nicht.” Ihre Mutter reichte ihr ein Gesteck aus violetten Orchideen, lachsfarbenen Rosen und weißen Lilien, die eine befreundete Floristin ihnen geschickt hatte. “Oh, Liebes, du siehst wunderschön aus. Ich wünschte nur, dass …”
“Schon gut, Mom.” Tess zog ihre Mutter in die Arme und wandte sich dann entschlossen zur Tür. Sie spürte einen Kloß im Hals, und die Tatsache, dass sie jetzt wie eine richtige Braut aussah, machte es ihr nicht leichter.
Zwei junge kräftige Männer im Anzug nickten ihr höflich zu, trugen ihren Koffer und nahmen Tess in die Mitte. Noch einmal atmete sie tief durch, dann trat sie nach draußen in die laue Mailuft.
Sofort riefen die Reporter ihr wieder zahllose Fragen zu, und Tess blieb neben dem Schaufenster des Geschäfts stehen, direkt unter dem verzierten Ladenschild. “Ich möchte nur klarstellen, dass entgegen allen Gerüchten meine Eltern überglücklich sind, dass ich Cole Westcott heirate. Wenn mein Vater nicht an einer Rückenverletzung leiden würde, würde er mich heute zum Altar führen. Meine Mutter und er wünschen mir alles erdenklich Gute, und sie haben mir das schönste Kleid unserer neuen Frühjahrskollektion geschenkt.”
Langsam drehte sie sich um, damit die Reporter ausgiebig Aufnahmen von ihr in dem perfekt sitzenden Satinkleid machen konnten. Dann ging sie auf die weiße Limousine zu, wo der uniformierte Chauffeur ihr die Tür öffnete.
Cole stand ungeduldig auf der obersten Stufe der kleinen Kirche und blickte über den Rasen zur Auffahrt.
Drinnen warteten der Pastor und Coles Trauzeugen. Er hatte ganz bewusst zwei einflussreiche Politiker ausgewählt, denen zwei Staatsrichter ihre Wahl verdankten. Damit durften wohl alle Fragen nach der Gültigkeit dieser Eheschließung beseitigt sein. Weder Familienangehörige noch Freunde waren eingeladen, denn dies war kein großes gesellschaftliches Ereignis, sondern nur ein Vertragsabschluss.
Wieso kommt Tess nicht? fragte er sich. Liegt es an der Presse? Obwohl alle Tore zur Kapelle von Sicherheitsleuten bewacht wurden, drängten sich die Journalisten mit ihren Fotoapparaten vor dem schmiedeeisernen Zaun.
Cole hatte Ian McCrary im Krankenhaus angerufen, doch der Mann ließ kein Gespräch zu sich durchstellen. Wahrscheinlich überlegte er sich gerade, wie er den Kampf am besten fortsetzen konnte. Um weitere
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