Verführung pur
die Dinge voranzutreiben.
Die Nachtluft war etwas frisch, aber nicht wirklich kalt. Dennoch war ihr deutlich kühler, sobald sie auf Abstand zu Seth ging. Sie strich sich über die nackten Arme und wünschte, seine Hände würden sie berühren anstelle ihrer eigenen.
Warum hatte sie nicht genauer beobachtet, wie ihre Mutter es schaffte, dass ihr die Männer in Scharen nachrannten? Wäre sie in diesen Belangen erfahrener, läge sie jetzt vielleicht unten in der Kabine und würde pure Sinnlichkeit genießen. Stattdessen stand sie hier oben an Deck und musste mit anhören, wie Seth sich mit seinem Onkel über technische Details austauschte.
Na ja, zumindest konnte ihr niemand vorwerfen, sie hätte nicht alles versucht, was in ihrer Macht stand. Und eines war sicher: Sie wollte keine Beziehung. Zu oft hatte sie miterleben müssen, wie ihre Mutter von den Männern in ihrem Leben dominiert wurde, bis sie überhaupt nicht mehr wusste, was ihr eigentlich wichtig war.
Nein, Mia hatte ein aufregendes Wochenende gewollt, und sie hatte es immerhin geschafft, sich von einem sehr attraktiven Piraten entführen zu lassen. Selbst wenn die ganze Geschichte jetzt vorbei sein sollte, war sie um ein Vielfaches spannender und aufregender gewesen als alles andere, was sie in den letzten Jahren gehabt hatte. Und sie war mindestens so befremdlich wie die Ankündigung ihrer Mutter, von nun an stundenweise im Souvenirladen mitzuarbeiten. Gemein war beiden Ereignissen allerdings, dass sie nur von kurzer Dauer sein dürften.
Mia jedenfalls hatte heute Abend gelernt, dass sie nicht bereit war, eine Beziehung auch nur in Erwägung zu ziehen, und deshalb war es das Beste, wenn sie Seth vergaß, sobald sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte.
Vorher wollte sie jedoch noch einen letzten, atemberaubenden Kuss von ihm.
Seth hatte möglichst lange telefoniert, um einem Gespräch mit Mia auszuweichen. Zigmal hatte er versucht, seinen Bruder zu erreichen, doch der ging nicht ans Telefon. Anschließend hatte er sich wieder und wieder die Maschine angesehen, in der Hoffnung, er hätte etwas übersehen und würde den Motor doch noch zum Laufen bekommen.
Aber jetzt musste er wohl oder übel die letzten Minuten mit Mia verbringen, bevor sein Onkel eintraf. Außerdem lautete sein Auftrag, ihr einen möglichst angenehmen Abend zu bereiten, und in dieser Hinsicht hatte er bislang auf ganzer Linie versagt. Also durfte er nicht länger vor ihr davonlaufen.
Er sah auf das Bootsheck, wo Mia es sich auf den Polstern der Bank bequem gemacht hatte. Sie hatte einen Ellbogen aufgestützt und blickte hinaus aufs Wasser.
Ohne die Blume erinnerte sie nicht mehr so sehr an Carmen, und sie hatte es offenbar aufgegeben, besonders aufreizend wirken zu wollen. Das lange Haar hing ihr über die Schultern und umspielte ihre prachtvollen Kurven.
Sie sah ein bisschen wie eine Meerjungfrau aus, die an Land gespült worden war und sehnsüchtig aufs Meer zurückblickte. In diesem Augenblick wusste Seth, was für ein Wandbild er unten haben wollte: Sie, Mia Quentin, gänzlich in rote Seide gewandet.
Bei der Vorstellung wurde ihm erneut unangenehm heiß, und sein Puls begann zu rasen. Bei all den Sturmangriffen, denen sein Nervenkostüm heute standzuhalten hatte, war es ein wahres Wunder, dass er noch keinen Herzinfarkt bekommen hatte.
Nicht dass Seth keine Erfahrung im Umgang mit schönen Frauen hatte. Er war mit mehreren sehr attraktiven Frauen ausgegangen, doch in seiner Erinnerung verschwammen ihre Bilder zu einer diffusen Kette gescheiterter Beziehungen. Nein, seine bisherigen Freundinnen waren durchweg die falschen Frauen für ihn gewesen, und sie alle hatten ihn mit denselben Vorwürfen wieder verlassen.
Natürlich schloss er nicht aus, dass er möglicherweise beziehungsunfähig war und die Vorwürfe durchaus ihre Berechtigung gehabt hatten. Das lag ziemlich nahe, wenn man bedachte, auf was für eine stolze Zahl gescheiterter Versuche er bereits zurückblickte.
Aber vielleicht, ganz vielleicht, hatte er sich ja auch bloß die falschen Frauen ausgesucht. Immerhin bestand noch Hoffnung, dass Seth eines Tages einer weniger zynischen und karrierebewussten Frau begegnen würde. Im Grunde seines Herzens suchte er nach jemandem mit mehr Leidenschaft, Sinnlichkeit und Begeisterungsfähigkeit. Er war ein hoffnungsloser Romantiker, auch wenn er das niemals offen zugeben würde.
Eine Frau wie Mia wäre daher die ideale Kandidatin.
Bei dem Gedanken wurde ihm nicht
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