Verführung pur
aufgefallen. Und auch jetzt stolperte sie nur deshalb darüber, weil ihr ein gewisser Seth Chandler nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte, seit sie am vergangenen Samstagabend allein in ihr Hotel zurückgekehrt war.
Was für ein seltsamer Zufall. Andererseits geschah es häufiger, dass ein neues Wort oder ein Name, nachdem man ihn zum ersten Mal gehört hatte, plötzlich überall aufzutauchen schien. Sicher gab es in Tampa jede Menge Leute, die Chandler hießen.
Befremdlich wurde die Sache allerdings, als sie auch noch meinte, seine Stimme zu hören. Natürlich konnte sie es sich nur einbilden, denn ein Mann, der nur “unter anderem” für die Bank arbeitete, würde sich wohl kaum ausgerechnet heute hier über – sie lehnte sich ein wenig zurück, um besser hören zu können – Vierteljahresdividenden und Ausschüttungen an Aktionäre unterhalten.
Trotzdem klang die Stimme derjenigen, die durch ihre Tagträume geisterte, so unverschämt ähnlich, dass Mia nicht widerstehen konnte und sich umdrehte.
Sie blickte durch die marmorgeflieste Halle und entdeckte Seths eineiigen Zwilling, der in einem makellosen Designeranzug und einem leuchtend blauen Seidenschlips dastand und in ein Gespräch vertieft war.
Nein, mit ihrem barbrüstigen Piraten hatte dieser Mann praktisch nichts gemein, außer dass er ihm täuschend ähnlich sah.
Wie von selbst stand sie auf und ging auf ihn zu.
“Seth?”
Da das Gespräch verstummte, musste sie seinen Namen versehentlich laut ausgesprochen haben. Wie peinlich!
Eine Weile blickte er sie schweigend an, als müsste auch er sich erst daran gewöhnen, sie in vollkommen anderer Aufmachung wiederzusehen. In ihrem grauen Kostüm und mit den aufgesteckten Haaren dürfte sie ebenfalls reichlich anders aussehen als bei ihrer ersten Begegnung.
“Mia?”, fragte er und ließ die Dame, deren Namensschild sie als Bankmanagerin auswies, einfach stehen, um ihr entgegenzugehen.
Mia blieb in der Mitte der Halle stehen und beobachtete fasziniert, wie er mit großen Schritten lächelnd auf sie zukam. Seine geschmeidigen Bewegungen räumten die letzten Zweifel aus, dass es sich um eine Verwechslung handeln könnte.
Und bevor sie richtig begriffen hatte, was hier vor sich ging, lagen seine Hände auf ihren Armen und sie atmete den Duft seines vertrauten Aftershaves.
“Ich habe mehrere Nachrichten für dich im Hotel hinterlassen”, begann er und sah sie unsicher an. “Hast du sie denn nicht bekommen?”
In Mias Kopf überschlugen sich die Gedanken. Sie hatte nicht damit gerechnet, ihren Entführer je wiederzusehen, und jetzt stand er im Calvin-Klein-Anzug vor ihr. Sie hatte ja keine Ahnung gehabt, dass er in Wirklichkeit … ein Fremder war.
“Ich werde die Stadt heute Abend verlassen”, sagte sie matt. “Und ich habe dich nicht zurückgerufen, weil ich wusste, dass wir uns nicht wiedersehen können.”
Immer noch lagen seine Hände auf ihren Armen, und sie bekam weiche Knie, doch ihre Verwirrung trübte die Wiedersehensfreude erheblich. “Was machst du hier?”
Für einen Moment schien Seth sich sehr unwohl in seiner Haut zu fühlen. Dann wurden sie von einer Frau unterbrochen, die durch die Halle auf sie zukam. “Entschuldigung, sind Sie Mia Quentin?”, fragte die junge Frau, die aus einem der Büros kam und eine Mappe unter dem Arm trug. “Ich hätte jetzt Zeit für Sie.”
Na, großartig! Mia hatte den wichtigsten Termin ihres Lebens vor sich und war hoffnungslos durcheinander.
“Eine Minute, Anna. Miss Quentin wird gleich bei Ihnen sein”, sagte Seth lächelnd, während die vollkommen sprachlose Mia einen Schritt zurücktrat.
“Kein Problem, Mr. Chandler”, antwortete Anna ebenfalls lächelnd und ging zurück in ihr Büro, dessen Tür sie offen ließ.
Mia brauchte eine halbe Ewigkeit, bis sie ihre Gedanken sortiert und ihre Stimme wiedergefunden hatte.
“Mr. Chandler also”, flüsterte sie schließlich und versuchte vergeblich, die Dinge, die sie über ihn wusste, und sein Auftreten hier auf einen Nenner zu bringen. “Du bist also offensichtlich nicht der Mann fürs Grobe, oder?”
“Warum können wir deinen Termin mit Anna nicht verschieben und irgendwo einen Kaffee trinken gehen? Ich kann dir alles erklären.”
“Du
bist
Chandler Enterprises, richtig?” Sie starrte auf die Visitenkarte, die sie in der Hand hielt. “Gehört dir die Bank?”
Warum hatte er es ihr nicht gesagt? Die meisten Männer würden einer Frau mit Freuden vorschwindeln, dass ihnen eine
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