Verführung pur
Nacht war so schön gewesen, dass es ihm beinahe Angst machte. Diese Regung war ihm neu, denn immerhin war er doch ein Mann, der immer predigte, dass man vor einer Beziehung nicht einfach davonlief. Wenn es sich aber um eine Frau handelte, die sein gesamtes Universum erschütterte, flößte die Sache sogar ihm Furcht ein.
Sie stand am Waschbecken und warf Pinsel, Paletten und leere Farbdosen in eine Schüssel mit dampfend heißem Wasser. Ihr seidig glänzendes Haar hing lose über ihren Rücken und reflektierte das Licht der Deckenlampe.
Sie trug ein rotes T-Shirt mit blauen Schmetterlingen darauf, das eng genug saß, um ihre wundervollen Kurven zu betonen, und knapp oberhalb des Bunds ihrer Jeansshorts endete.
Er konnte es kaum erwarten, den schmalen Hautstreifen zu streicheln. Vielleicht hatte er ja Glück, und sie konnten die weiteren Schritte in ihrer Beziehung zügig klären, bevor sie wieder in ihr Bett zurückstiegen. Oder sie sprachen
im
Bett darüber, was eigentlich noch besser war. Hauptsache er konnte sie baldmöglichst wieder berühren.
Doch bevor er dazu kam, sagte sie etwas, dass ihn wie ein Eiszapfen aus heiterem Himmel traf.
“Wenn du glaubst, du kannst in meinem Haus ein und aus gehen, wie es dir gefällt, dann hast du dich aber geschnitten, Seth Chandler.”
Mia sah sein betroffenes Gesicht. Wenigstens hatten ihre Worte die gewünschte Wirkung gehabt. Das geschah ihm ganz recht.
Sie jedenfalls war heute Morgen auch nicht gerade begeistert gewesen, als sie aufwachte und feststellte, dass er sang- und klanglos verschwunden war. Wenigstens einen Abschied konnte man doch wohl erwarten, oder? Zumindest so etwas wie: “Danke, es war nett mit dir.”
Kein Wunder, dass sie in ihrem bisherigen Leben prima ohne Männer ausgekommen war.
“Ich habe mir nur saubere Sachen geholt”, erklärte er nach einer Weile und zeigte mit dem Daumen hinunter zum Hafen. Er war also beim Boot gewesen.
Zugegeben, das klang glaubwürdig, aber wie hätte es ihm denn gefallen, ganz allein aufzuwachen?
“Es wäre schöner gewesen, wenn du mir vorher Bescheid gesagt hättest.” Ihre Wut war nur wenig gemildert, zumal sie furchtbar durcheinander war und keine Ahnung hatte, wie es jetzt weitergehen sollte. “Wahrscheinlich weiß jetzt halb Twin Palms, dass du die Nacht bei mir verbracht hast. In einer Kleinstadt kannst du dich nicht einfach um fünf Uhr morgens aus einem Haus schleichen und meinen, dich würde niemand sehen. Mein Großvater wird sicher jeden Moment anrufen und mir erzählen, welche Schande ich über die Familie gebracht habe.”
Sie drehte sich wieder zum Waschbecken und wünschte sich sehnlichst, sie hätte letzte Nacht nicht in so aufregender Erinnerung. Seth war wundervoll gewesen, und sie wollte am liebsten sofort wieder mit ihm unter die Decke schlüpfen und den ganzen Tag mit ihm im Bett verbringen. Leider würden sich die geschäftlichen Probleme ihrer Großeltern dadurch nicht lösen lassen.
Bevor sie überlegt hatte, was sie ihm sonst noch sagen wollte, lagen seine Hände auf ihrer Taille und erinnerten sie daran, wie sehr sie ihn in der halben Stunde vermisst hatte, die sie getrennt gewesen waren.
“Es tut mir leid.”
Trotz des Abstands zwischen ihnen spürte sie seine Wärme und hätte sich zu gern an ihn gelehnt, sich von ihm in die Arme nehmen und von ihm halten lassen. Doch wenn sie das tat, wäre sie kein bisschen besser als ihre Mutter, die sich viel zu oft auf die Stärke anderer verließ. Ja, Noelle hatte sich sogar auf andere Menschen verlassen, als es darum ging, sich um ihre Tochter zu kümmern.
“Andererseits, da die Stadt nun ohnehin schon über uns Bescheid weiß”, fuhr Seth fort und wischte ihr mit einem Handtuch die nassen Hände ab, “bleibt uns wenigstens erspart, es ihnen allen sagen zu müssen. Sie hätten es ja so oder so erfahren.”
Hatte Mia irgendetwas verpasst? “Warum hätten sie es so oder so erfahren?”
Sie drehte sich zu ihm um. Er stand ganz gelassen da und verschränkte die Arme vor der Brust. “Na, wenn wir die ganze Zeit zusammen sind und mein Wagen tagelang in deiner Einfahrt parkt, kommen sie wohl bald dahinter.”
“Das wird nicht geschehen, Seth.” Nun verschränkte sie die Arme vor der Brust. “Ich weiß nicht, wie du darauf kommst, dass wir durch eine gemeinsame Nacht gleich zu einer festen Institution geworden sind. Für mich sind wir das nämlich nicht.”
Sie hatte es bis heute nicht einmal geschafft, sich von ihren Großeltern
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