Verführung pur
unabhängig zu machen, da wollte sie wahrlich nicht nahtlos in die nächste Abhängigkeit stolpern. Und bevor sie sich auf eine Beziehung einließ, wollte sie etwas für sich allein erreicht haben. Außerdem hielt er sie schon genügend von ihren eigentlichen Aufgaben ab, ohne dass sie eine Beziehung hatten! In der kommenden Woche würde sie ihre erste Ausstellung haben, und anstatt die Nacht durchzumalen, hatte sie sich mit Seth in verschütteten Wasserfarben gewälzt.
“Ich habe dir gleich gestern Abend gesagt, dass es für mich keine einmalige Geschichte ist.” Er sah sie mit einer Eindringlichkeit an, die ihr unheimlich war. “Darum habe ich mich geweigert, auf dem Boot mit dir zu schlafen. Ich dachte, du hättest das verstanden.”
Hatte sie auch. Sie erinnerte sich an seine Worte.
Ich werde morgen nicht wieder abreisen.
Aber sagen in der Hitze der Leidenschaft nicht alle Männer solche Sachen?
“Willst du mir etwa sagen, du hattest noch
nie
einen One-Night-Stand?”
“Nein. Ich hatte immer eine feste Beziehung zu den Frauen, mit denen ich geschlafen habe.” Er blickte sich in der Küche um, als könnte er ihr bei diesem Thema nicht in die Augen sehen.
Irgendetwas stimmte hier nicht. Die Art, wie er es formulierte, machte sie stutzig, und sie wusste nicht, warum.
“Was nennst du eine feste Beziehung?”
“Eine Beziehung, in der ich mit den Frauen zusammenlebe.”
Sie konnte zwar nicht sagen, welche Antwort sie erwartet hatte, aber diese ganz sicher nicht. Er schlief nur mit Frauen, mit denen er zusammenlebte? Zugegeben, das klang nach einer ziemlich festen Beziehung, und die meisten Leute würden sagen, dass es für ihn sprach.
Und da sie der Sache schon einmal auf den Grund gingen, konnte sie ebenso gut die ganze Wahrheit erfragen.
“Nicht dass es mich etwas angeht oder für mich von Bedeutung ist, aber hast du mit diesen Frauen nur zusammengelebt, oder warst du mit ihnen verlobt?” Das mochte sich nach Haarspalterei anhören, doch sie wollte wissen, was sie erwartete, wenn sie sich auf seine Vorstellungen von Beziehung einließ.
“So weit ist es nie gekommen.”
Das wurde ja immer spannender! Er wohnte also erst mit den Frauen zusammen, bevor er sich überlegte, ob er mit ihnen leben wollte. Und das offenbar mehrmals. “Mit wie vielen Frauen hast du zusammengelebt?”
Er fluchte leise, bevor er antwortete: “Ich würde dich doch auch nie fragen, mit wie vielen Männern du geschlafen hast.”
Sie überging diese Bemerkung mit einem Achselzucken. Schließlich hatte er davon angefangen. “Trotzdem würde ich dir offen sagen, mit wie vielen Männer ich zusammengelebt habe. Also raus damit. Mit wie vielen Frauen hast du zusammengewohnt?”
“Fünf.”
Sie spürte, dass sie unwillkürlich die Augen aufriss. “Fünf?”
“Okay, ich bin kein Mönch. Aber so viel ist fünf dann auch wieder nicht.”
Bei einem über dreißigjährigen Mann war es nicht erstaunlich, wenn er mit fünf Frauen geschlafen hatte, aber wenn er mit ihnen zusammengelebt hatte?
Sie nahm ihre Pinsel aus dem Wasser und trocknete sie betont langsam ab, um ein wenig Bedenkzeit zu gewinnen.
Einerseits konnte sie keine zehn Sekunden in seiner Nähe sein, ohne sich vor Verlangen nach ihm zu verzehren. Dafür musste sie ja nicht gleich mit ihm die Wohnung teilen. Andererseits war ihr Leben derzeit schon zu krisengeschüttelt, um überhaupt regelmäßig mit jemandem zusammen auszugehen. Und sie war ganz gewiss nicht bereit, ihre Staffelei einzupacken und zu diesem sexy Unternehmenstycoon zu ziehen.
“Wie dem auch sei, ich habe zurzeit zu viel andere Dinge um die Ohren.”
“Dann lass mich dir helfen.”
“Kannst du mit Aquarellfarben umgehen?” Sie hielt ihm einen Pinsel hin.
“Ach komm, du weißt, was ich meine. Was ist mit dem Beachcomber? Vielleicht kann ich dir bei dem Geschäft helfen.”
Sie warf die Pinsel scheppernd in die Dose auf dem Arbeitstisch. “Ich will deine Hilfe nicht, Seth. Meine Probleme muss ich allein lösen. Aber ich habe die letzte Nacht mit dir genossen, weil ich mich fallen lassen und für ein paar Stunden meine Sorgen vergessen konnte. Wenn du um meinetwillen mit mir zusammen sein willst, kannst du jederzeit wiederkommen – und nicht, weil du meinst, ich bräuchte jemanden, der sich um meine Angelegenheiten kümmert oder mich beschützt.”
Mehr konnte sie ihm nicht anbieten, und das war immerhin schon weitaus besser, als wenn sie ihn direkt hinausgeworfen hätte. Das nämlich war
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