Verführung pur
ihr erster Gedanke gewesen, als sie heute Morgen aufwachte und ihre Gefühle ihr einen Mordsschrecken eingejagt hatten.
Seth spielte mit einem sauberen Farbtopf und betrachtete Mia nachdenklich. Ihr wurde klar, dass sie ihn für immer verlieren könnte.
Schließlich nickte er und ging rückwärts zur Tür, ohne sie einen Moment aus den Augen zu lassen.
“Okay”, sagte er. “Doch ich werde nirgendwohin abfahren. Weder morgen noch übermorgen, noch überübermorgen.”
Er sah zu dem Eimer mit den leeren Farbdosen, der neben ihr stand und warf die Dose, die er gehalten hatte, mit einem gezielten Wurf mitten hinein.
Dann zwinkerte er ihr zu und öffnete die Tür. “Darauf kannst du dich verlassen.”
10. KAPITEL
Noelle stand mit einem Klemmbrett im Lagerraum des Beachcomber und zählte die Kartons mit aufblasbaren Seesternen. Dann trug sie die Zahl der Kartons in die Liste ein, die Mia vorbereitet und ihr am Vorabend gegeben hatte. Vier Tage waren vergangen, seit Brock Chandler in Gummistiefeln mitten in ihr Leben gestapft war. Und seit vier Tagen überlebte Noelle nur noch, indem sie sich mehr und mehr Arbeit im Beachcomber aufhalste.
Das College, an dem sie normalerweise unterrichtete, war diese Woche geschlossen, und somit hatte sie keine Möglichkeit, der Versuchung zu entfliehen, die Brock verkörperte. Nicht dass sie eine besondere Vorliebe für Männer wie Brock hatte. Eigentlich stellte ein kantiger Fischer mit großen Händen und einem Lächeln, das ausschließlich für sie reserviert schien, keine allzu große Versuchung für sie dar. Und doch sprach Brock in ihr etwas an, das sich jedweder Logik und Vernunft versperrte.
Als sie sich daranmachte, die aufblasbaren Alligatoren zu zählen, fragte sie sich, welche dieser albernen Artikel Mia wohl ins neue Sortiment übernehmen würde. Noelles Eltern würden sicher aus allen Wolken fallen, wenn sie erfuhren, dass Mia plante, vor allem Naturschwämme und Badesalze zu verkaufen anstatt aufgeblasener Flippers.
Andererseits hatten Betty und Norman sich in den letzten Tagen zunehmend einsichtiger gezeigt. Offenbar fanden sie sich langsam damit ab, dass drastische Veränderungen die einzige Chance waren, den kleinen Laden zu retten. Und gerade diese untypische Nachgiebigkeit hatte Noelle klargemacht, wie sehr sie sie ein Leben lang für ihre Entschlossenheit bewundert hatte, auch wenn sie bisweilen das starrköpfigste Duo sein konnten, das auf diesem Planeten wandelte.
Doch wären sie weniger willensstark, hätten sie es wahrscheinlich nicht geschafft, ihr kleines Geschäft zu betreiben und gleichzeitig Mia ein Zuhause zu geben. Natürlich hatte Noelle sich oft darüber aufgeregt, dass sie ihre Tochter zu sehr behüteten und mit zu strengen Regeln gängelten, aber sie musste zugeben, dass der Erfolg ihrer Erziehungsmethoden für sich sprach.
Ganz abgesehen davon war Mia, Erziehung hin oder her, einfach ein wundervoller Mensch, was zum Teil wohl auch an den Genen liegen musste, die Noelle ihr mitgegeben hatte – auch wenn ihre Eltern das niemals zugeben würden.
Sie stieg auf einen Holztritt, um besser an die orangefarbenen Schwimmwesten zu kommen, die an Haken von der Decke hingen. In diesem Moment knarrte die Tür hinter ihr. Ihre Eltern waren zu einem Baumarkt in Tampa gefahren, wo sie Farben und Bodenbelag einkaufen wollten, daher konnte es nur Mia sein, die da kam.
Der gewaltige Schatten, der im Türrahmen auftauchte, passte allerdings überhaupt nicht zu ihrer Tochter. Noelle blickte zu Brock, dessen Gesicht in dem Licht der einzelnen Glühbirnen, die den fensterlosen Lagerraum beleuchtete, kaum zu erkennen war. Sein Haar schimmerte feucht. Er musste gerade geduscht haben. Und er sah unverschämt gut aus, wofür Noelle ihn verfluchen könnte.
“Ich dachte, du könntest einen Kaffee gebrauchen”, sagte er und hielt ihr einen großen Pappbecher hin, der den Aufdruck eines Doughnut-Ladens ein Stück die Straße hinauf trug. “Das ist sogar dieses aromatisierte Zeugs, das du so gern magst.”
Sie sprang von dem Holztritt. Der Duft erfüllte den kleinen Raum, und sie hätte auch ohne seine Bemerkung auf Anhieb erkannt, dass es sich um ihre Lieblingsmischung handelte. Noelle ging auf ihn zu – nicht etwa, weil ihr irgendetwas an dem faszinierenden Mann lag, sondern weil er an einem Samstagmorgen um sieben Uhr früh mit genau dem richtigen Kaffee zu ihr kam.
“Woher wusstest du, dass ich Haselnussschokolade mag?” Sie nahm den Becher und
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