Verfuehrung unterm Silbermond
„Das wird nicht nötig sein“, sagte sie schließlich steif. „Ich will keine Bezahlung.“
Raffaele erkannte, dass er das Falsche gesagt hatte. „So meinte ich das auch nicht, ehrlich.“ Er wartete auf eine lockere Erwiderung von ihr, doch als die nicht kam, senkte er seine Stimme zu dem sanften Ton, den er nur bei ihr zu gebrauchen wagte. Weil sie vernünftig genug war, um nichts anderes darin zu erkennen als freundliche Fürsorge. „Du bist die einzige Frau, die ich kenne, die nichts Falsches hineininterpretieren wird. Und wenn du es dir genau überlegst, ergibt es sogar Sinn. Wir kennen uns doch so gut.“
Natasha betrachtete ihn stumm. Er begriff es einfach nicht! Sie kannten sich überhaupt nicht! Würde er auch nur das Geringste von ihr wissen, müsste ihm klar sein, wie sehr er sie soeben beleidigt hatte. Als ob der Ring je etwas anderes sein könnte als eine verhöhnende Erinnerung an das, was hätte sein können, aber nie sein würde. Sein Vorschlag machte den unüberbrückbaren Graben zwischen Träumerei und Realität überdeutlich: Sie war nützlich für ihn, mehr nicht.
Da sie immer noch nichts sagte, fiel ihm plötzlich ein, dass es vielleicht einen viel gewichtigeren Grund geben könnte, warum sie so beharrlich schwieg. „Es sei denn … Hast du vielleicht eine Beziehung? Gibt es einen Mann, der das Ganze verhindern könnte?“
Hatte Natasha tatsächlich geglaubt, die Schmerzgrenze sei schon erreicht? Denn während sie verneinend den Kopf schüttelte, stellte sie fest, dass da noch reichlich Raum für noch mehr Demütigungen war. Die Frage nach einer möglichen Beziehung tat mehr weh als alles andere, was er bisher von sich gegeben hatte. Und die Tatsache, dass ihm eine solche Möglichkeit zuvor gar nicht in den Sinn gekommen war.
Aber vielleicht war seine Taktlosigkeit genau der Weckruf, den sie nötig hatte. Der sie aufrütteln würde, um endlich diese aussichtslose Sehnsucht nach ihm zu ersticken und den nächsten Schritt in ihrem Leben zu machen. Eines Tages traf sie vielleicht wirklich einen Mann, dem genug an ihr lag, um ein gemeinsames Leben mit ihr aufzubauen. Nur … wenn sie jeden Mann an Raffaele de Feretti maß, würde sie als einsame, verbitterte Frau enden!
„Wie stellst du dir denn diese sogenannte Verlobung vor?“
„Zuerst erfolgt die öffentliche Bekanntgabe. Dann lassen wir uns bei ein paar gesellschaftlichen Anlässen zusammen sehen. Übertreiben werden wir es natürlich nicht“, setzte er mit einem Lächeln hinzu.
„Und was ist mit Sam?“ Ihr Herz klopfte nervös.
„Was soll mit ihm sein?“
„Es wird ihn verwirren“, sagte sie leise.
Einen Moment lang schwieg Raffaele. „Ob ein Fünfjähriger überhaupt etwas davon merkt? Zu Hause wird sich ja nichts ändern und für ihn direkt auch nicht. Wir können ihm erklären, dass Elisabetta krank ist und wir beide ihr helfen wollen. Er darf es nur nicht weitererzählen. Oder wir beantworten seine Fragen erst dann, wenn er sie stellt. Er braucht ja nur zu wissen, dass wir immer Freunde bleiben. Auch hinterher.“
Verständnislos starrte sie ihn an. Freunde? Nein, das waren sie nicht wirklich. Doch Raffaele schien das nicht bewusst zu sein. Er hatte auch keine Ahnung, wie sehr ihr kleiner Junge ihn bewunderte. Sam wäre nichts lieber, als wenn es eine echte Verlobung gäbe.
Ich muss dieses Haus und diesen Mann verlassen, wurde Natasha jäh klar. Bald. Vielleicht würde dieses bizarre Szenario es ihr sogar erleichtern …
„Du brauchst Zeit, um darüber nachzudenken?“, fragte Raffaele.
„Nein. Meine Entscheidung steht schon fest. Ich mache es.“ Nach allem, was er für sie getan hatte, konnte sie sich zumindest revanchieren.
Mit einem breiten Lächeln erhob er sein Glas. „Stu pendo!“ Sein Blick kam auf ihren Lippen zu liegen, und für eine Sekunde fragte er sich, ob sie diese sogenannte Verlobung wohl auf die traditionelle Weise mit einem Kuss besiegeln sollten. Dass er überhaupt daran dachte, überraschte ihn. Aber es war ja nur ein Spiel, eine gestellte Show. Eine Show, die Requisite nötig machte, wenn es echt wirken sollte. „Du wirst etwas wegen deiner Garderobe unternehmen müssen“, sagte er abrupt.
Fast hätte Natasha sich an dem Wein verschluckt. „Was soll das nun wieder heißen?“
Das Schöne daran, wenn man jemanden lange und gut kannte, war, dass man offen reden konnte. Ein Luxus, der Raffaele nur selten widerfuhr. „Nun, die Presse liebt den Aschenputtelaspekt – armes Mädchen,
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