Verfuehrung unterm Silbermond
des langen Tisches.
„Du weißt, worüber Troy und ich heute gesprochen haben?“
„Ihr habt wohl über vieles gesprochen. Und ich habe mich zurückgezogen.“
Es gab keinen korrekten Weg, das anzusprechen, was er ihr vorschlagen wollte. Wahrscheinlich war es für sie beide nur akzeptabel, wenn sie es als eine geschäftliche Abmachung betrachteten. „Ich möchte dich um einen Gefallen bitten, Natasha.“
„Ja?“
„Du hast doch das Telefon gehört, oder? Beide Anrufe kamen von den Chefredakteuren zweier großer Tageszeitungen. Sie fragten nach Details über Elisabetta. Fürs Erste haben sie sich mit einem ‚Kein Kommentar‘ abwimmeln lassen, aber das wird nicht lange halten, das habe ich oft genug erlebt. Ich habe den ganzen Nachmittag hin und her überlegt, was die beste Vorgehensweise sein könnte. Ob ich Elisabetta vielleicht nach Amerika bringen soll oder zurück nach Italien. Aber der Flug in die Staaten ist in ihrem Zustand zu anstrengend für sie, und Italien … Sie in die Nähe dieses Mannes zu bringen ist undenkbar.“
Er sah sie über den Tisch hinweg an. Sah den einfachen Pullover, die billige Jeans, die Leinenschuhe an ihren Füßen. Keine Frau, die er kannte, würde sich je in einem solchen Aufzug sehen lassen. Aber auch keine andere Frau kannte ihn so gut wie Natasha. Und keine andere Frau würde seine Bedingungen akzeptieren.
Würde sie es tun? Und würde man ihm überhaupt abnehmen, dass er, Raffaele de Feretti, sich auf eine Beziehung mit jemanden wie Natasha Phillips einließ?
Doch er hatte sich entschieden, ihm blieb gar keine andere Wahl.
„Ich möchte, dass du dich mit mir verlobst, Natasha“, sagte er leise.
Für einen langen Moment spielte ihr ihre Fantasie einen wunderbaren Streich. Sie sah Bilder vor sich, lebensgroß und in Farbe. Die Träumereien, die sie sich so rigoros verbot und die sie doch manchmal in der Nacht im Schlaf heimsuchten, erwachten zu beinahe greifbarem Leben. Träumereien über den Mann, der für jemanden wie sie völlig unerreichbar war. Bilder, wie er sie in den Armen hielt, sie zärtlich ansah, sie leidenschaftlich küsste …
Wäre Natasha nicht so verwirrt, hätte sie wahrscheinlich die Verbindung zu dem Gespräch zwischen Raffaele und seinem Anwalt hergestellt. So jedoch starrte sie ihn nur fassungslos an und fragte atemlos: „Du willst mich heiraten?“
„Nein. Ich will, dass wir uns verloben.“
Eine erste Ahnung der bitteren Realität holte sie heim. „Warum?“
Warum wohl! Glaubte sie wirklich, es wäre ihretwegen? „Weil das die Story über Elisabetta sofort aufhält.“
Irgendwie gelang es Natasha, ihren Schmerz nicht zu zeigen – den Schmerz, der ihre dummen Illusionen verraten würde. „Sähe das nicht zu sehr nach einer Finte aus?“, antwortete sie sehr sachlich. „Jeder Redakteur, der den Namen verdient, würde das doch sofort vermuten.“
„Was sie vermuten und was sie drucken sind zwei völlig verschiedene Dinge. Kein Redakteur wäre dumm oder zynisch genug, um offen heraus zu behaupten, diese Verlobung sei nur …“
„Ein Täuschungsmanöver?“, warf sie mit bebender Stimme ein.
„Eine Schadensbegrenzungsmaßnahme.“
Lange blieb es still, während Natasha erfolglos versuchte, ihre wirbelnden Gedanken unter Kontrolle zu bekommen. „Und wie genau soll diese Verlobung vor sich gehen?“
Raffaele wagte es, sich einen winzigen Deut zu entspannen. „Zuerst kaufen wir einen Ring für dich, wann immer du möchtest.“ Ihm fiel auf, dass sie auf ihrer Lippe kaute, und zum ersten Mal überlegte er, wie eine so stille und unscheinbare Frau wie sie auf einen solchen Plan reagieren mochte. Schließlich würde sie dieses Vorhaben gegen ihren Willen in das Licht der Öffentlichkeit zerren. „Ich kann deine Bedenken durchaus nachvollziehen …“
„Kannst du das?“ Sie lachte humorlos auf.
„Natürlich kann ich das. Es wirkt sicherlich ein wenig gestellt, aber wir müssen es so echt aussehen lassen wie möglich.“
So echt wie möglich. Natasha zeigte keine Regung. Nein, er würde ihre Enttäuschung nicht einmal ahnen! „Aber es ist nicht echt, oder?“, fragte sie fast belustigt. Das ging ja einfacher als erwartet!
Raffaele lächelte erleichtert. „Natürlich ist es nicht echt. Keine Sorge, Natasha, es wird die kürzeste Verlobung der Geschichte sein. Nur so lange, bis der Rummel um Elisabetta abgeflaut ist. Den Ring kannst du natürlich behalten. Oder verkaufen.“
Ihrem Schweigen haftete etwas Drückendes an.
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