Verfuehrung wie in 1001 Nacht
waren ihr seine Gesichtszüge edler erschienen als in diesem Moment.
Seine Kleidung war aus schwerer brauner und goldener Seide gewirkt. Locker um den Hals gelegt, trug er einen Schal mit den eingestickten Symbolen der Königswürde, dazu eine glänzende Spange aus dem Kronschatz.
Auf das golden schimmernde anliegende Oberteil mit dem hochgeschlossenen Kragen folgte nach unten hin eine breite Schärpe aus bronzefarbenem Satin. Die dunkleren Hosen bauschten sich über polierten braunen Lederstiefeln.
Aber vor allem durch den Umhang wirkte er auf Johara, als käme er von einer Zeitreise – direkt aus der Vergangenheit.
Der Umhang war in der Farbe dunkler Erde gehalten und fiel in reichem Faltenwurf Amir bis auf die Füße. Wie gerne hätte Johara als Künstlerin und Designerin die aufwendigen goldfarbenen Stickereien aus der Nähe betrachtet! Gerade diese Verzierungen, fand sie, wirkten ausgesprochen männlich.
Mit jedem Schritt, den sie näher kam, schienen Amirs Erwartung und seine Freude zu wachsen.
Sie wünschte, er würde diesen Umhang um sie beide schlingen und sie fortbringen von all dem Prunk und den vielen Menschen. Aber sie wusste, dass er diese Feier ihr zu Ehren ausgerichtet hatte – um ihr zu zeigen, dass es dabei eben nicht nur um bloße Schadensbegrenzung ging.
Um allen zu verkünden, wie wichtig ihm diese Hochzeit war, hatte er weder Kosten noch Mühen gescheut.
Bevor sie sich in seine Arme werfen konnte, tauchte aus der Dunkelheit eine blonde Frau in einem cremefarbenen sariähnlichen Kleid auf. Und neben ihr ein Mann mit langen pechschwarzen Haaren, der etwa so groß wie Amir war.
Johara blieb fast die Luft weg.
Man hatte ihr gesagt, alles würde zu schnell gehen und für eine richtige Hochzeit würde die Zeit nicht reichen. Darum könnten die beiden nicht hier sein …
Aber Amir hatte es möglich gemacht! Er hatte es geschafft, dass ihre Mutter und ihr Bruder gekommen waren!
Vor Überraschung blieb sie bewegungslos stehen.
Sie hatte Aram seit über einem Jahr nicht mehr gesehen und ihn schrecklich vermisst. Erfreut betrachtete sie ihn. Mehr denn je glich er einem Piraten voller Kraft und Jugendlichkeit. Vom Kolorit her war er das genaue Gegenteil von Johara, denn er hatte die hellen türkisfarbenen Augen der Mutter und die dunkle Haut- und Haarfarbe des Vaters geerbt.
In der Größe wiederum schlug er der Familie der Mutter nach, war dabei aber ebenso kräftig wie der Vater. Und Jacqueline? Sie wirkte alterslos und schön wie eh und je.
Überglücklich umarmte Johara die beiden und Amir und küsste sie alle drei immer wieder.
Sie war ihm ja so dankbar für dieses wunderbare Geschenk.
Die Musik wurde jetzt feierlich und getragen, um auf den nächsten Teil der Zeremonie vorzubereiten.
Jacqueline zog Johara an sich und küsste sie noch einmal. „Ma chérie, ich hätte nie gedacht, dass es wahr wird. Ich habe mir ja solche Sorgen um dich gemacht.“
Erstaunt sah Johara ihre Mutter an. „Du hast es gewusst?“, fragte sie verblüfft.
„Schon immer.“ In Jacquelines Augen schimmerten Tränen. „Darum wollte ich ja nicht mehr hierherkommen – um deinen Kummer nicht noch schlimmer zu machen. Deine Liebe zu Amir hätte dir nur wehgetan. Mir schien es völlig unmöglich, dass sie sich eines Tages erfüllen würde … Jetzt bin ich unendlich froh und erleichtert.“
Mir sieht man anscheinend meine Geheimnisse an der Nasenspitze an, dachte Johara. Bis auf Vater kann offenbar jeder in mir lesen wie in einem Buch …
Da schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf, und sie wandte sich Aram zu. „Da fällt mir etwas ein. Du hast unrecht gehabt!“
Einen Moment schien er zu überlegen. Dann blickte er zu Amir und wieder zu Johara und lachte. „Im Gegenteil! Wenn das hier nicht beweist, dass ich recht hatte – was dann?“
„Aber damals war es nicht so! Ich will, dass du dich entschuldigst.“
„Mach ich bestimmt nicht. Was ich getan habe, war zu deinem Besten.“
„Los, entschuldige dich! Bei Amir. Wie konntest du ihm … so etwas vorwerfen? Ausgerechnet du, sein bester Freund!“
„Nicht streiten“, beschwichtigte Hassan. „Ich glaube, wir hatten schon genug Streit zwischen Geschwistern.“
„Davon kann man nie genug haben“, mischte Amjad sich ein. „Außerdem, jetzt ist ein guter Zeitpunkt. Die Auseinandersetzung ist längst überfällig. Also, dann legt mal los …“
Aram zeigte ihm die Zähne. „Jetzt merke ich erst, wie sehr du mir gefehlt hast, Amjad.“
Amjad
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