Verfuehrung
nicht erfüllt. Er war so besessen von dem Gedanken gewesen, Sophy zur Seinen zu machen, daß er sicher nicht mitten drin eingeschlafen war, egal wieviel Portwein er getrunken hatte.
Schockiert von diesem unglaublichen Gedächtnisverlust schob Julian die Laken zurück. Sein Schenkel streifte einen harten Flecken auf dem Laken - einen feuchten Fleck, der über Nacht getrocknet war. Er grinste vor Erleichterung und Befriedigung und senkte langsam den Blick nach unten. Er wußte, was er da vorfinden würde: den Beweis, daß er sich doch nicht unsterblich blamiert hatte.
Aber aus seiner Befriedigung wurde schlagartig Entsetzen. Der rötlich braune Fleck auf dem Laken war viel zu groß.
Unmöglich groß.
Monströs groß.
Was hatte er seiner sanften, zarten Frau angetan?
Die einzige Erfahrung Julians mit einer Jungfrau war seine Hochzeitsnacht mit Elizabeth gewesen, und mit der bitteren Weisheit, die er in den letzten Jahren erworben hatte, hatte er guten Grund, das anzuzweifeln.
Aber er hatte die üblichen Männergespräche gehört und wußte, daß eine Frau normalerweise nicht blutete wie ein abgestochenes Kalb. Manchmal blutete die Frau sogar überhaupt nicht.
Ein Mann mußte buchstäblich über eine Frau herfallen, um eine solche Blutung zu verursachen. Er mußte ihr wirklich sehr weh tun, um solchen Schaden anzurichten.
Julian wurde ganz flau im Magen angesichts dieses unumstößlichen Beweises seiner brutalen Ungeschicklichkeit. Seine eigenen Worte fielen ihm wieder ein. Morgen früh wirst du mir danken.
Gütiger Gott, jede Frau, die so etwas erdulden mußte, wie Sophy es erlitten hatte, war sicher nicht in der Stimmung, dem Mann zu danken, der sie so schwer verletzt hatte. Julian schloß kurz die Augen und versuchte verzweifelt, sich zu erinnern, was genau er ihr angetan hatte. Aber keine belastende Szene zeigte sich vor seinem inneren Auge, und trotzdem konnte er die Beweise nicht abstreiten.
»Sophy?« Seine Stimme klang sogar in seinen Ohren grob.
Sophy zuckte zusammen, als hätte er ihr einen Peitschenhieb versetzt. Sie wirbelte herum, mit einem Ausdruck im Gesicht, der Julian mit den Zähnen knirschen ließ.
»Guten... guten Morgen, Mylord.« Ihre Augen waren ganz groß und voller weiblicher Nervosität.
»Ich habe das Gefühl, dieser spezielle Morgen hätte wesentlich besser sein können, als er es ist. Und das ist meine Schuld.« Er setzte sich auf die Bettkante und griff nach seinem Morgenmantel, ließ sich aber mit dem Anziehen Zeit, während er fieberhaft überlegte, wie er wohl am besten mit dieser Situation fertig werden könnte. Sie würde wohl kaum in der Stimmung sein, sich beschwichtigende Worte anzuhören. Gütiger Gott im Himmel, er wünschte, sein Kopf würde nicht so schmerzen.
»Ich glaube, Euer Kammerherr wartet schon mit dem Rasierzeug, Mylord.«
Das ignorierte er. »Bist du in Ordnung?« fragte er mit leiser
Stimme. Er wollte auf sie zugehen, blieb aber sofort stehen, als sie vor ihm zurückwich. Der Schrank bremste ihren Rückzug, aber ihr Gesichtsausdruck zeigte, daß sie am liebsten davongerannt wäre. Sie stand da, mit einem bestickten Unterrock, den sie fest umklammerte und beobachtete ihn ängstlich.
»Mir geht es gut, Mylord.«
Julian holte Luft. »Oh, Sophy, Kleines, was hab ich dir angetan? War ich gestern nacht wirklich so ein Unhold?«
»Euer Rasierwasser wird kalt, Mylord.«
»Sophy, die Temperatur meines Rasierwassers ist mir völlig egal. Ich mache mir Sorgen um dich.«
»Ich hab’s dir gesagt. Mir geht es gut. Bitte, Julian, ich muß mich anziehen.«
Er stöhnte und ging auf sie zu, ohne Rücksicht auf ihre Ausweichversuche. Er nahm sie behutsam bei den Schultern und sah in ihr besorgtes Gesicht. »Wir müssen reden.«
Ihre Zungenspitze benetzte nervös ihre Lippen. »Seid Ihr denn nicht befriedigt, Mylord? Ich hatte gehofft, Ihr wärt es.«
»Oh, mein Gott«, hauchte er und drückte zärtlich ihren Kopf an seine Schulter. »Ich kann mir gut vorstellen, wie verzweifelt du hoffst, daß ich befriedigt bin. Ich bin mir sicher, du möchtest nie wieder eine Nacht wie die gestrige erleben.«
»Ich muß Euch recht geben, Mylord. Eine solche Nacht möchte ich in meinem ganzen Leben nicht mehr erleben.« Ihre Stimme war zwar undeutlich, weil sie das in seinen Morgenmantel murmelte, aber der heftige Wunsch war unüberhörbar.
Quälende Schuldgefühle packten ihn. Er streichelte ihr beruhigend den Rücken. »Würde es helfen, wenn ich bei meiner Ehre schwöre,
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