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Verfuehrung

Titel: Verfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Quick
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anstatt entspannt die Zeit zu genießen, die sie sich erkauft hatte, fühlte Sophy sich hundeelend. Zwei Tage lang kämpfte sie mit ihren Schuldgefühlen, versuchte sich einzureden, sie hätte richtig gehandelt, das unter diesen Umständen einzig Mögliche getan. Eine Frau hatte so wenig Macht, daß sie gezwungen war, sich jedes greifbaren Mittels zu bedienen.
    Aber ihr eigenes Ehrgefühl gestattete nicht, daß sie ihre Ängste mit solchen Überlegungen beschwichtigte.
    Am dritten Tag nach ihrer fiktiven Hochzeitsnacht erwachte Sophy und wußte, daß sie diese Scharade keinen einzigen Tag mehr ertragen könnte, ganz zu schweigen noch drei Monate.
    In ihrem ganzen Leben hatte sie sich noch nie so schrecklich gefühlt. Julians Selbstkasteiung war eine furchtbare Verantwortung, die wie Blei auf ihren schmalen Schultern lastete. Es war offensichtlich, daß er sich die bittersten Vorwürfe machte für das, was er glaubte, getan zu haben. Die Tatsache, daß er überhaupt nichts getan hatte, ließ Sophys Schuldgefühle ins Unermeßliche wachsen.
    Sie kippte den Tee hinunter, den ihre Zofe gebracht hatte, knallte die Tasse auf ihren Unterteller und schlug die Decke zurück.
    »Ein wunderschöner Tag ist das heute, Madame. Werdet Ihr nach dem Frühstück reiten?«
    »Ja, Mary, das werde ich. Bitte schick jemanden zu Lord Ravenwood und laß fragen, ob er sich mir anschließen will, sei so gut.«
    »Oh, ich glaube, Seine Lordschaft wird sich Euch sicher anschließen«, sagte Mary und grinste frech. »Der Mann würde sogar mit Euch nach Amerika fahren, wenn Ihr ihn drum bittet. Das ganze Personal hat seine helle Freude an dem, was hier vorgeht.«
    »Helle Freude woran?«
    »Wie er sich die Beine ausreißt, um Euch zu gefallen. So etwas hab ich noch nie gesehen. Seine Lordschaft dankt wahrscheinlich seinem Glücksstern, daß er eine Frau gekriegt hat, die so ganz anders ist als die Hexe, die er das erste Mal geheiratet hat.«
    »Mary!«
    »Tut mir leid, Madame. Aber ich weiß genauso gut wie Ihr, was sie zu Hause im Dorf über sie erzählen. Das war ja kein Geheimnis. Sie war eine ganz Wilde, jawohl. Das braune oder das blaue Kostüm, Mylady?«
    »Das neue braune Kostüm, glaube ich, Mary. Und jetzt will ich nichts mehr über die erste Lady Ravenwood hören.« Sophy hoffte, ihr Ton hatte die nötige Strenge. Heute wollte sie nichts über ihre
    Vorgängerin hören. Dank ihres schlechten Gewissens fragte sie sich, ob Julian, sobald er die Wahrheit erfahren hatte, zu dem Schluß kommen würde, daß sie genauso intrigant war wie seine erste Frau.
    Eine Stunde später ging sie hinunter in die Halle, wo Julian sie bereits erwartete. Er schien sich in seiner eleganten Reitkleidung sehr wohl zu fühlen. Die engen hellen Reithosen, die kniehohen Stiefel und der knapp sitzende Rock betonten die unterschwellige Kraft seines Körpers.
    Julian lächelte, als er Sophy die Treppe herunterkommen sah. Er hielt einen kleinen Korb hoch. »Ich hab uns von der Köchin ein Picknick einpacken lassen. Ich dachte, wir könnten vielleicht die alte Schloßruine erkunden, die wir auf dem Hügel über dem Fluß entdeckt haben. Würde Euch das gefallen, Madame?« Er ging zu ihr und nahm ihren Arm.
    »Eine wirklich nette Idee, Julian«, sagte Sophy demütig und versuchte, sich ein Lächeln abzuringen. Seine Bemühungen, ihr eine Freude zu machen, rührten sie, und dadurch fühlte sie sich noch elender.
    »Deine Zofe soll schnell nach oben laufen und dir eins deiner beklagenswerten Bücher holen. Ich kann alles ertragen außer der Wollstonecraft. Ich hab mir auch etwas aus der Bibliothek geholt. Wer weiß? Wenn die Sonne bleibt, können wir vielleicht den Nachmittag irgendwo unterwegs unter einem Baum mit Lesen verbringen.«
    Ihr Herz machte einen kleinen Satz. »Das klingt wunderbar, Mylord.« Dann hatte sie die Wirklichkeit wieder eingeholt. Julian würde bestimmt nicht in der Stimmung sein, irgendwo unter einem Baum mit ihr zu lesen, nachdem sie ihm die gräßliche Wahrheit enthüllt hatte.
    Er führte sie nach draußen in die helle Frühlingssonne. Zwei Pferde standen gesattelt bereit: ein brauner Vollblutwallach und Angel, mit je einem Knecht am Zügel. Julian beobachtete Sophys Gesicht genau, als er ihre Taille umfaßte und sie in den Sattel hob. Er schien erleichtert, als sie bei seiner Berührung nicht zusammenzuckte.
    »Ich bin froh, daß du dich heute wieder kräftig genug zum Reiten fühlst«, sagte Julian, als er sich in den Sattel schwang und die

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