Verfuehrung
nichts überstürzen werde. Aber du mußt dir darüber im klaren sein, daß wir uns irgendwann wieder lieben müssen. Sophy, das war das erste Mal für dich, nun ja, es ist so ähnlich, wie wenn man vom Pferd fällt. Wenn man nicht wieder aufsteigt, reitet man vielleicht nie wieder.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich ein so furchtbares Schicksal ist«, murmelte sie.
»Sophy!«
»Ja, natürlich. Da wäre ja noch die kleine Angelegenheit mit Eurem Erben. Verzeiht, Mylord, das wäre mir fast entfallen.«
Selbstverachtung durchbohrte ihn wie ein Pfeil. »Ich habe nicht an meinen Erben gedacht, sondern an dich«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen.
»Unser Abkommen galt für drei Monate«, erinnerte sie ihn leise. »Glaubt Ihr, wir könnten diese Vereinbarung wieder aufnehmen?«
Julian fluchte leise vor sich hin. »Ich halte es nicht für eine gute Idee, so lange zu warten. Deine natürliche Abneigung wird sich ins Uferlose steigern, wenn du drei ganze Monate hast, um über das zu grübeln, was gestern nacht passiert ist, Sophy. Ich habe dir erklärt, daß das Schlimmste jetzt vorbei ist. Es besteht kein Grund, sich hinter dieser Abmachung zu verschanzen, auf der du bestanden hast.«
»Wahrscheinlich habt Ihr recht. Besonders nachdem Ihr mir klar gemacht habt, wie beschränkt meine Mittel sind, diese Abmachung durchzusetzen.« Sie riß sich aus seiner Umarmung los und ging zum Fenster. »Ihr hattet ganz recht, Mylord, als Ihr mich darauf hingewiesen habt, daß eine Frau in einer Ehe nur sehr wenig Macht hat. Ihre einzige Hoffnung ist, daß sie sich auf die Ehre ihres Gatten als Gentleman verlassen kann.«
Wieder überrollte ihn eine Woge von Schuldgefühlen und drohte fast, ihn zu ertränken. Als er wieder auftauchte, wünschte er, der Teufel würde ihm gegenüberstehen und nicht Sophy. Zumindest könnte er dann einen Gegenangriff starten.
Seine Situation war untragbar. Es war leider klar, daß es nur einen ehrbaren Ausweg gab und den mußte er nehmen, auch wenn er wußte, daß dadurch für sie alles noch schwerer werden würde.
»Könntest du es über dich bringen, meinem Wort noch einmal zu vertrauen, wenn ich mich bereit erkläre, wieder zu unserem Drei-Monate-Arrangement zurückzukehren?« fragte Julian.
Sie warf ihm einen kurzen Blick über die Schulter zu. »Ja, ich glaube, diesmal könnte ich dir vertrauen. Natürlich nur, wenn du mir zusätzlich versprichst, mich nicht zu verführen und nicht nur, daß du mir keine Gewalt antust.«
»Gestern abend habe ich dir Verführung versprochen und habe dir statt dessen Gewalt angetan. Ja, ich kann verstehen, daß du die ursprünglichen Bedingungen erweitern willst.« Julian beugte förmlich das Haupt. »In Ordnung, Sophy. Mein Verstand sagt mir, daß es der falsche Weg ist, aber ich kann es dir nicht verweigern, wenn du nach dem, was gestern nacht passiert ist, darauf bestehst.«
Sophy nickte, und ihre Hände krallten sich ineinander. »Danke, Mylord.«
»Danke mir nicht. Ich bin der festen Überzeugung, daß ich einen ernsthaften Fehler begehe. Hier ist etwas ganz faul.« Er schüttelte wieder den Kopf und versuchte sich zu erinnern. Aber da war nur eine leere Wand. Verlor er womöglich den Verstand? »Du hast mein Wort, daß ich dich während der restlichen Zeit unserer Abmachung nicht mehr belästigen werde. Ich brauche wohl nicht extra zu erwähnen, daß ich dich auch nicht mit Gewalt nehmen werde.« Er zögerte, hätte sie zu gerne in den Arm genommen und an sich gedrückt, aber er wagte es nicht, sie zu berühren. »Bitte entschuldige mich jetzt.«
Er verließ das Schlafzimmer in der festen Überzeugung, daß er in ihren Augen kaum tiefer sinken konnte, als er in seinen schon gesunken war.
Die nächsten beiden Tage hätten von Rechts wegen die glücklichsten in Sophys Leben sein sollen. Ihre Flitterwochen waren jetzt tatsächlich zu dem Traum geworden, den sie sich in ihrer Naivität ausgemalt hatte. Julian war gütig, rücksichtsvoll und unerschütterlich sanft. Er behandelte sie, als wäre sie ein seltenes, unschätzbares Stück Porzellan. Die stumme, unterschwellige sinnliche Bedrohung, die sie seit Tagen gequält hatte, war endlich vergessen.
Natürlich war da immer noch das Verlangen in Julians Blick, aber das Feuer seiner Leidenschaft war jetzt gnadenlos eingedämmt, und sie mußte nicht mehr fürchten, daß es außer Kontrolle geriet. Zumindest hatte sie die Atempause, die sie vor ihrer Heirat versucht hatte auszuhandeln.
Doch
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