Verfuehrung
dem Handrücken über die Augen. Dabei stieß sie gegen ihren Hut, und die Feder kippte wieder nach vorne. »Das heißt, Ihr habt nicht getan, was Ihr glaubt, getan zu haben.«
Das Schweigen hinter ihr wurde geradezu ohrenbetäubend, bevor Julian wieder etwas sagte. »Sophy, das Blut. Da war soviel Blut.«
Sie sagte rasch, ehe sie der Mut ganz verließ: »Zu meiner Verteidigung sollte ich sagen, daß du versucht hast, unsere Abmachung zu brechen. Ich war sehr nervös und sehr, sehr wütend. Ich hoffe, Ihr zieht das in Betracht, Mylord. Ihr solltet wirklich am besten wissen, was es heißt, jähzornig zu sein.«
»Verdammt noch mal, Sophy, wovon, zum Teufel, redest du überhaupt?« Julians Stimme war gefährlich ruhig.
»Ich versuche Euch zu erklären, Mylord, daß Ihr mich in dieser Nacht gar nicht angegriffen habt. Ihr seid, nun ja, eben einfach eingeschlafen.« Jetzt wagte Sophy endlich, sich ihm zuzuwenden. Er stand nur ein paar Meter entfernt von ihr, die Beine in den hohen Stiefeln leicht gespreizt, die Reitpeitsche am Schenkel. Sein smaragdgrüner Blick war kälter als die Tiefen des Hades.
»Ich bin eingeschlafen?«
Sophy nickte, den Blick starr auf einen Punkt hinter seiner Schulter gerichtet. »Ich habe dir ein paar Kräuter in den Tee getan. Du erinnerst dich, daß ich gesagt habe, ich hätte etwas, das wesentlich wirksamer zum Einschlafen ist als Portwein?«
»Ich erinnere mich. Aber du hast den Tee auch getrunken.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich hab nur so getan, als würde ich trinken. Du warst so damit beschäftigt, dich über Miss Wollstonecrafts Buch zu beschweren, daß du nicht gemerkt hast, was ich tue.«
Er kam einen Schritt näher. Die Reitpeitsche flatterte nervös gegen sein Bein. »Das Blut. Das ganze Laken war voll davon.«
»Wieder Kräuter, Mylord. Nachdem Ihr eingeschlafen wart, hab ich sie in den Tee gerührt, um die Farbe zu erzielen. Ich hab nur nicht gewußt, wieviel Flüssigkeit ich nehmen soll, versteht Ihr, und ich war so nervös, daß ich etwas verschüttet habe, und so wurde der Fleck größer als ich wollte.«
»Du hast etwas von dem Tee verschüttet«, wiederholte er langsam.
»Ja, Mylord.«
»Genug um mich davon zu überzeugen, ich hätte dich brutal aufgerissen.«
»Ja, Mylord.«
»Du willst mir damit sagen, daß in dieser Nacht gar nichts passiert ist? Überhaupt nichts?«
Sophy hatte sich wieder ein bißchen gefangen. »Na ja, Ihr hattet eben gesagt, Ihr würdet mich verführen, obwohl ich Euch klar und deutlich gesagt habe, daß ich das nicht wünsche, und Ihr seid gegen meinen Willen in mein Zimmer gekommen, und ich hab mich wirklich bedroht gefühlt, Mylord. Es hätte also einiges passieren können, wenn Ihr wißt, was ich meine. Es ist nur nichts passiert, weil ich bestimmte Schritte unternommen habe, um es zu verhindern. Ihr seid nicht der einzige, der Probleme mit seinem Jähzorn hat, Mylord.«
»Du hast mich betäubt.« Seine Stimme war eine Mischung aus Ungläubigkeit und Wut.
»Es war nur ein einfacher Schlaftrunk, Mylord.«
Seine Reitpeitsche knallte gegen den Stiefel und ließ sie verstummen. Julians Augen brannten wie grüne Feuer. »Du hast mich mit einem deiner verdammten Tränklein betäubt und dann alles in Szene gesetzt, damit ich denke, ich hätte dich vergewaltigt.«
Angesichts dieser unverblümten Feststellung erübrigte sich jedes Wort. Sophy ließ den Kopf hängen. Die Feder wedelte vor ihrem Auge, als sie versuchte, den Boden anzustarren. »So kann man es wohl sehen, Mylord. Aber ich wollte Euch wirklich nicht glauben machen, Ihr hättet... hättet mir weh getan. Ich wollte nur, daß Ihr glaubt, Ihr hättet Eure Pflicht getan. Ihr wart so erpicht auf Eure ehelichen Rechte.«
»Und du hast gedacht, wenn ich glauben würde, ich hätte diese Rechte wahrgenommen, würde ich dich die nächsten paar Monate in Ruhe lassen?«
»Ich dachte, daß Ihr dann vielleicht für eine Weile befriedigt seid, Mylord. Ich dachte, Ihr wärt dann vielleicht bereit, unser Abkommen einzuhalten.«
»Sophy, wenn du dieses verdammte Abkommen noch ein einziges Mal erwähnst, werde ich dir zweifellos den Hals umdrehen. Zumindest werde ich dir mit der Reitpeitsche den Hintern versohlen.«
Sie richtete sich tapfer auf. »Ich rechne mit Gewalt, Mylord. Es ist wohl bekannt, daß Ihr den Jähzorn eines Satans habt.«
»Ach, ist es das. Dann bin ich aber überrascht, daß du mich hierhergebracht hast, um deine große Beichte abzulegen. Hier ist keiner, der deine
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