Verfuhrt auf dem Maskenball
sie ihn wiedersehen wollte, so schrecklich erschien es ihr plötzlich, ein solches Rendezvous vereinbart zu haben. Aber das war die Aufgabe einer Mätresse. Sie traf sich mit Männern, die mit anderen Frauen verheiratet waren.
Es war alles so völlig verkehrt.
Ihre Vorfreude löste sich in nichts auf. Lizzie stand am Fenster und sah zu, wie die Nacht herniedersank, und fühlte sich plötzlich verletzt. Sie versuchte sich daran zu erinnern, dass viele Adlige sich Mätressen hielten, aber ihre Vernunft ließ sie im Stich. Was hatte das mit ihr zu tun? Nach dem heutigen Abend würde er einer anderen gehören. Wie sollte sie das ertragen?
Aber konnte sie jetzt wirklich von ihm fortgehen?
Lizzie hatte erfahren, dass die Harringtons morgen Früh abreisen wollten. Lady Blanche würde Adare gemeinsam mit ihrem Vater verlassen und höchstwahrscheinlich nach London zurückkehren. Aber die Verlobung war eine Tatsache, die durch ihre Abreise nicht verändert wurde. Lizzie träumte gern und viel, und jetzt wünschte sie sich, Tyrell würde seine Verlobung aufschieben, vielleicht für ein paar Monate oder ein Jahr. Wenn sie sein Leben nur für diesen kurzen Zeitraum teilen könnte, so würde sie – dessen war sie sicher – auf ewig dankbar und glücklich sein.
Aber Lizzie war kein Dummkopf. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass die Verlobung wirklich aufgeschoben würde, nicht einmal um einen einzigen Tag. Sie konnte das nicht tun – nicht jetzt, nicht so – und ganz gewiss nicht, wenn seine Verlobte unter demselben Dach lebte wie sie.
Auf einmal empfand sie nicht Freude, wie gerade eben noch, sondern nur noch einen tiefen Kummer. Lizzie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie konnte nur hoffen, dass Tyrell zufrieden war mit seiner Verlobten und dass sie ihn glücklich machen würde.
In diesem Augenblick wollte Lizzie sich selbst davon überzeugen, wie hübsch seine Verlobte war, und dann entscheiden, ob sie gut und freundlich war wie die Frau, die er verdiente. Natürlich wusste sie, dass es falsch war, Blanche Harrington auszuspionieren, aber sie weigerte sich, darüber nachzudenken.
Lizzie hob ihre elfenbeinfarbenen Röcke hoch, eilte den Korridor entlang und die Treppe hinunter, während eine innere Stimme ihr sagte, dass ihr Vorhaben zu gefährlich war. Als sie sich dem Haupttrakt des Hauses näherte, hörte sie die Gäste: Stimmen und Gelächter, das Klirren von Kristall. Atemlos und mit wild klopfendem Herzen zögerte sie. Wie sollte sie sich herausreden, wenn jemand von der Familie sie hier entdeckte? Oder wenn sie gar auf Tyrell traf?
Und trotz all ihrer guten Vorsätze blieb ihr fast das Herz stehen bei der Vorstellung, ihm wieder zu begegnen. Lizzie schalt sich noch selbst, als sie durch die Tür in einen großen Raum schlüpfte.
Es war der Ballsaal. Ein Dutzend Damen war anwesend, alle in ihren besten Abendroben, glitzernd von Smaragden und Diamanten und vielen anderen Edelsteinen. Und ebenso viele Gentlemen in ihren schwarzen Fräcken, mit eleganten Hosen und gestärkten weißen Hemden. Lizzie errötete, als ihr bewusst wurde, dass sie nur ein sehr schlichtes Kleid trug, das für einen Nachmittagsspaziergang geeignet war. Schlimmer noch, es war das Kleid einer jungen, unverheirateten, unschuldigen Lady. Lizzie hatte das Gefühl, man würde sie sofort erkennen.
Reglos stand sie an der Tür.
Wie, in Gottes Namen, sollte sie nur Tyrells Verlobte finden?
Sie musterte die festlich gestimmte Menge und erkannte viele irische Lords und Ladys, die sie früher schon auf Adare gesehen hatte. Aber die übrigen Gäste erkannte sie nicht.
Plötzlich fühlte sie, dass sie beobachtet wurde. Von Unbehagen erfüllt, sah sie sich um und versuchte herauszufinden, wer sie bemerkt hatte. Dabei verbarg sie sich rasch hinter einer der korinthischen Säulen.
„Ich wusste nicht, dass Sie eingeladen waren, Miss Fitzgerald“, sagte jemand hinter ihr.
Sie kannte die Stimme. Es war Rex de Warenne, und sie zuckte zusammen, ehe sie sich zu ihm umdrehte. Tief errötend knickste sie vor ihm. „Wir wissen beide, dass ich das nicht bin“, sagte sie und blickte zu ihm auf.
Wie er da so stand, in Abendgarderobe und auf seine Krücke gestützt, sah er beunruhigend gut aus und erinnerte sie ganz schrecklich an Tyrell.
„Was also tun Sie hier?“, fragte er, ohne zu lächeln.
„Ich hatte gehofft, einen Blick auf Lady Blanche werfen zu können“, flüsterte sie scheu. „Sie soll sehr schön sein.“
„Das ist sie“, erwiderte
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