Vergangene Narben
damit ganz richtig. „Noch ein Geheimnis.“
Ich drückte die Lippen fest aufeinander. Diego hatte mich ja gewarnt, und doch brachte ich es nicht über mich ihn einfach wegzuschicken, nicht so wie er da lag.
„Du bist wohl das geheimnisvollste Mädchen, dass ich jemals kennengelernt habe“, wisperte er noch, und dann wurden seine Atemzüge tiefer und gleichmäßiger. Er war wirklich eingeschlafen, und kuschelte sich noch enger an mich, als suchte er die Nähe und Wärme eines anderen Wesens. Irgendwie wirkte er in dem Moment auf mich verloren.
Zögernd hob ich die Hand, und strich ihm über die raue Wange. Klar wusste ich, dass man sowas nicht machte, aber wann bot sich mir denn mal wieder so ´ne Gelegenheit? Außerdem tat ich damit ja niemanden weh. Und er benutzte mich ja schließlich auch als Kuscheltier, ohne gefragt zu haben.
Sein Mund zuckte, als versuchte er selbst im Schlaf zu lächeln. Wie hatte Iesha es nur fertig gebracht, so einen tollen Kerl zu betrügen? Klar, Ayden sah bei weitem besser aus als Cio, und war noch dazu ein Prinz, und Cio wirkte trotz seiner verspielten Art zu kantig, um als wirklich anziehend durchzugehen. Er war sicher nicht der hübscheste Kerl, den ich in meinem Leben begegnet war – auch wenn diese Oberarme einfach der Hammer waren –, aber bei weitem einer der nettesten, und Iesha sollte sich eigentlich mit dem was sie hatte zufrieden geben, besonders da sie ihn ja angeblich liebte. Und dabei war es egal, ob er mehrere Wochen wegen irgendeinem Firlefanz mal nicht ausreichend Zeit für sie hatte. Er war so ein toller Kerl, und wenn er mein Freund wäre, dann wüsste ich das alles zu schätzen. Ich würde ihn sicher nie … okay, Schluss jetzt. Ich sollte ganz schnell auf andere Gedanken kommen, das ging jetzt eindeutig in die falsche Richtung. Auch wenn mir dieses Hirngespinst nicht gerade missfiel. Allein schon diese Lippen einmal zu probieren … oh Gott, mutierte ich jetzt zu einer zweiten Alina? Und wo ich schon mal bei ihr war, ich könnte sie ja eigentlich auch gleich anrufen. Cio würde sicher nicht so schnell wieder aufwachen, und wecken wollte ich ihn auch nicht so wirklich. Das hatte nicht nur etwas damit zu tun, wie friedlich er hier lag, sonder wie ich zugeben musste auch damit, dass ich es doch irgendwie genoss.
Mir war wirklich nicht mehr zu helfen.
Um auf andere Gedanken zu kommen, griff ich vorsichtig über Cio hinweg nach dem Handy, und beachteten Flairs wissenden Blick vom Boden aus gar nicht. Alinas Nummer war schnell gefunden, und noch während des ersten Klingelns nahm sie ab.
„Also los, erzähl mir alles. Bist du wirklich abgehauen, um Cheyenne kennenzulernen? Wie hast du erfahren wie du da hinkommst? Und wer zum Teufel ist der Kerl, der dich dazu bringen konnte, sein Blut zu trinken?“
„Also, erstens: ja, zweitens: ich hab Tante Amber bei einem Gespräch belauscht, und drittens: Cio, aber das habe ich dir ja bereits gesagt.“
„Menno“, machte sie. „Erzähl richtig, sonst bin ich beleidigt.“
War sie nicht, aber ich erzählte ihr trotzdem, was in den letzten Tagen so bei mir passiert ist. Von der Anreise, von Gwendolyn und Jaden, und von meiner Ankunft im Hof der Werwölfe, und meinen ersten Tagen hier. Alina schaffte es an jeder Stelle das richtige Geräusch, oder den richtigen Kommentar abzugeben, und sog scharf die Luft an, als ich ihr berichtete, wie Cio mich vor Elvis Grab im Wald gefunden hatte.
„Waaas?!“, schreie sie direkt in mein Ohr. „Er weiß es?“
„Ja, ich …“
„Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein GOTT!“
Jup, jetzt war ich taub.
„Aber er weiß ja doch nur das, oder? Weiß er etwas alles?“
„Nein, nur das, und er behält es auch für sich. Und dich würde ich bitten auch nichts zu sagen. Papa weiß nämlich nicht, dass er es weiß, und ich hätte gerne dass es so bleibt.“
„Meine Lippen sind versiegelt. Aber jetzt erzähl mir was sonst noch passiert ist.“
Das tat ich dann auch. Dabei nahm ich mir die Freiheit heraus, Cio die ganze Zeit über den Arm zu streicheln. Ich wusste auch nicht warum, es fühlte sich einfach gut an das zu tun.
Das nächste Mal unterbrach Alina mich erst, als ich auf meinen Geburtstag zu sprechen kam.
„Du kriegst deinen eigenen Ball?!“ Das schien sie mehr zu faszinieren, als die Tatsache, dass Menschen auf den Mond fliegen konnten.
„Das hat sie mir versprochen. Morgen soll eine Schneiderin kommen, die mir ein Kleid macht, und …“
„Auch noch ein Kleid?!“ Die flippte da am
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