Vergangene Narben
Vormittag, und verschwand wieder in die Dienstbotengange.
Ich atmete noch einmal tief durch, und öffnete dann die Tür zum kleinen Salon in der zweiten Etage, in dem ich schon gestern gewesen war. Doch es war niemand da. Hatte Fira mich in den falschen Raum gebracht, oder würde Cheyenne gleich kommen?
Ich zögerte einen Moment, trat dann aber ein, und setzte mich still und artig auf die weiße Ledercouch. Flair hampelte auf meinem Schoß herum, bis ich sie runterließ, und sie sich im Raum nach etwas Essbarem umsehen konnte – war aber nichts da.
Gerade wollte ich mich zurücklehnen, als Cheyenne mit einem Lächeln in den Raum trat, im Schlepptau eine ziemlich zerzaust wirkende Brünette mit hoher Stirn und kleinen Augen. In ihrem halb auseinander gefallenen Dutt steckte schief eine Brille, und der Hosenanzug deutete einige Knitterfalten auf. Das Maßband um ihren Hals machte den Anblick wohl perfekt. Oder auch die große Tasche, die sie über die Schulter trug.
Sei wartete gar nicht darauf, dass Cheyenne uns vorstellte, sondern stürzte sich gleich auf mich. „Das ist also unser Modeproblem“, sagte sie mit extrem starken, französischen Akzent. „Non, das ge`t gar nischt. Diese Farben, und diese Brille. Isch hab noch nie eine so `ässliche Brille gesehen. Und was soll dieses `emd? Non, so sie`t kein `übsches Mädchen aus.“
Modeproblem? Brille? Was hatte sie den gegen mein Hemd? Hilfesuchend sah ich zu Cheyenne, als die Frau mich kurzerhand einfach auf die Beine zog, und ihr Maßband vom Hals nahm.
Cheyenne jedoch machte nur lächelnd die Tür zu, und setzte sich dann auf das Sofa. „Zaira, das ist Madam Camille Laval, die beste Schneiderin der Welt. Madam Laval, das ist …“
„Keine Zeit für Vorstellungen. Tamps calculé au plus juste. Las misch arbeiten. Nimm den Arm `och, Engelchen, damit isch messen kann.“
Dazu kam ich gar nicht erst, weil sie es schon selber machte.
Ich stand nur etwas verdutzt da, und sah nur allzu deutlich, wie Cheyenne versuchte sich das Lachen zu verkneifen, während Madame Laval an mir herumfuhrwerkte, und alle meine Maße auf in eine Kladde eintrug, die sie auf ihrer riesigen Tasche geholt hatte. Brust, Taille, Hüfte, vom Kopf bis zum Boden, und dann noch vom Schlüsselbein bis zum Boden, wobei sie mir befahl, die Schuhe auszuziehen, und grade zu stehen. „ça fait bien. Zum Glück bist du nischt so dünn wie Cheyenne, da kann isch viel me`r machen.“
„Äh …“, machte ich nicht sehr einfallsreich, und konnte dann nur noch zusehen, wie sie von mir abließ, und geschäftig in ihrer Tasche herumkramte, um mit einem Stapel Stoffproben in allem Möglich Farben und Sorten wieder aufzutauchen.
„Setz disch, Engelchen, setzt disch“, wies sie mich an, und nahm selber neben Cheyenne Platz. Dabei hatte sie keinen Blick für Flair, die neugierig an ihren Beinen schnupperte. „Also isch würde sagen, wir ne`men Chiffon, und Tüll. Vielleicht mit einem Seidenbad? Da kann isch …“ Sie sah zu mir auf. „Warum ste`st du da immer noch? Setzt disch endlich, wir haben keine Zeit. Ne pas avoir le temps, aber noch viel Arbeit. Nur zwei Tage. Isch weiß gar nischt wie isch das schaffen soll.“
„Du schaffst das schon Camille“, besänftigte Cheyenne sie. „Du bist die Beste.“
Sie schnaubte. „Natürlich bin isch die Beste. Deswegen bin isch ja auch `ier, und nicht einer von diesen Stümpern, die Ihr vorher beschäftigt habt.“
Ich sagte einfach mal gar nichts, und setzte mich still zu den beiden Frauen. War in dem Moment wohl sicherer. Aber nur wenn man davon absah, dass mir kaum dass ich saß ein Stapel Stoffe in die Hand gedrückt wurden.
„`ier, guck, welche Farbe, welche Stoffe willst du?“
„Ähm … naja, ich mag schwarz.“
„Schwarz?
Schwarz?!
“ Sie sah mich an, als hätte ich ihr gerade erklärt, dass sie ein Spitzenkleid für meinen Hund schneidern sollte. „Non, à aucun titre. So ein `übsches Engelchen, da gibt es kein Schwarz!“ Sie schüttelte den Kopf, als wäre das die schlimmste Wahl geworden, die ich in ihren Augen hätte treffen können – war wohl auch so. „Wir nehmen blau, blau wie deine Augen. So `hübsche Augen. `ier.“ Sie hielt mir eine Auswahl von blauen Stoffen unter die Nase. „Davon kannst du dir etwas aussuchen, aber kein schwarz!“
Ich schluckte. Na die war ja drauf.
„Und du brauchst Kontaktlinsen. Isch kann keine Maske fertigen, wenn du eine Brille auf der Nase trägst. Eine `ässliche Brille.“
Okay, jetzt war
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