Vergangene Narben
schwieg einfach, als er sich erhob, und zur Tür ging.
Cio brauchte einen Moment länger zum Aufstehen, und klaute im Vorbeigehen auch noch meine Gummibärchen.
„Hey!“, rief ich noch, aber da war er bereits lachend zur Tür hinaus verschwunden, und die Tür hintern den beiden Kerlen ins Schloss gefallen. Na warte, das würde ich ihm heimzahlen. Niemand klaute mir meine Gummibärchen. Im Geist schmiedete ich bereits Rachepläne, und rückte meine Brille auf der Nase zurecht.
„Du scheinst Cio ziemlich gut zu kennen“, merkte Cheyenne an.
Ich sah zu ihr rüber, und ließ mich von der Lehne auf den Sitz fallen. „Nein, nicht wirklich. Wir haben uns nur ein paar Mal getroffen.“
„Es war nicht das erste Mal, dass ich euch zusammen gesehen habe. Und ihr geht ziemlich ungezwungen miteinander um.“
Ich zuckte nur mir den Schultern, und nahm Flair auf meinen Schoß. Was sollte ich dazu auch sagen.
„Es freut mich jedenfalls, dass du hier jemanden gefunden hast, mit dem du dich gut verstehst. Und Cio ist ein guter Junge.“
„Er ist nett“, stimmte ich ihr zu.
Damit ließen wir das Thema fallen, und unterhielten uns über andere Dinge: Mein Leben in den letzten neunzehn Jahren. Und da kam einiges Zusammen.
An diesem Tag wurden wir von keinen weiteren Unterbrechungen gestört, und so saßen wir noch in dem kleinen Salon, als das Mittagessen bereits vorbei war. Wir erzählten uns Geschichten aus der Vergangenheit, lästerten ein bisschen über Papa, und ich erfuhr noch so einiges aus dem Leben im Schloss. Es wurde viel gelacht, noch mehr gegackert, und Cheyenne holte sogar nicht eine Tüte mit Schokoriegen aus dem Schrank, die wir zusammen mit Flair verspeisten.
Doch irgendwann war alles mal zu Ende, und als Sydney am späten Nachmittag in den Salon kam, und uns über die Uhrzeit aufzuklären, und dass die Vollmondjagt in zwei Stunden beginnen würde, trennten wir uns mit einem Lächeln auf den Lippen.
Wieder war es Fira, die mich durch die Gänge der Bediensteten nach draußen brachte, und nicht zum ersten Mal merkte ich, dass ihre Aussprache sehr förmlich war. Musste wohl an ihrem Beruf liegen.
Draußen wurde ich dann von einer frühjährlichen Brise empfangen, die mir sanft um die Nase wehte. Der Frühling kämpfte nun langsam um sein Recht dieser Tage, und verwandelte das weiße Schneemeer langsam aber sicher in eine riesige Schlammgrube. Nur vereinzelt hielten noch einzelne Schneehäubchen die Stellung, und hielten der Sonne stand. Aber auch ihr Wiederstand würde brechen, wenn die Sonne erst mal ihre volle Kraft entfaltete.
Die Zeit bis zum Abend vertrödelte ich an meinem iPad in meinem Zimmer im HQ. Mein Vater war auch da, aber mehr als ein paar karge Worte hatte er für mich nicht übrig, was vielleicht aber auch daran liegen konnte, dass er in sein Buch vertieft war.
Es war schon fast neun, als es an unserer Zimmertür kratzte, und Diego in seiner Wolfsgestalt bei uns auftauchte. Ein brauner Wolf von dunklem Karamell, und einem schwarzen, flammenartigen Fleck auf dem Rücken – gehörte er auch zu den Drachen? Was waren das nur für Leute, das alle ihrem Club beitreten wollten? – der geduldig wartete, bis auch ich mich verwandelt hatte, und mich dann an dem Schloss vorbei, durch den parkartigen Garten, ab den Rand des Waldes brachte, der über viele Hektar Land eine fast unberührte Wildnis barg.
Und wie waren auch nicht die einzigen die auf dem Weg dorthin waren. Noch nie in meinem Leben war mir so deutlich bewusst geworden, wie viele Werwölfe es eigentlich gab. Und die Hunderte um mich herum waren nur ein Bruchteil von denen, die existierten.
„Bleib dicht bei mir, damit du nicht verloren gehst“,
riet Diego mir.
„Okay.“
Als wenn ich mich in diesem Durcheinander von ihm entfernen würde, besonders da es immer größer wurde, je näher wir unserem Ziel kamen.
Ein heller Wolf neben mir sah mich komisch an, schüttelte dann gen Kopf, und trappte eilig weiter. O-kay. Vorsichtshalber lief ich dichter bei Diego. Seltsame Blicke mochte ich einfach nicht.
„Du solltest deine Gedanken nicht fächern, sondern lieber kanalisieren“, tadelte er mich.
„Kanalisieren?“
Wieder bekam ich komische Blicke.
Diego blieb überrascht stehen, und sah mich an.
„Du weißt nicht wie du deine Gedanken kanalisieren kannst?“
„Ähm … nein, das sagt mir nichts.“
Er musterte mich.
„Du sprichst also immer zu allen gleichzeitig?“
„Geht das denn auch anders?“
So wie er mich ansah, lautete die
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