Vergangene Narben
die Sklavenhändler mitgeholfen hatte, aber er hatte doch sicher niemanden getötet, oder? Nein, das konnte nicht sein, mein Vater war kein Mörder! Das war einfach nicht möglich.
Doch was wusste ich eigentlich wirklich über seine Vergangenheit? Er erzählte mir doch nie mehr als er für nötig hielt.
Schluss jetzt. Das muss Zaira nicht wissen. Alles was für sie interessant ist, habe ich ihr bereits erzählt, der Rest ist egal.
Nie gab er über das was geschehen war mehr preis, als er musste. Hieß das jetzt, dass er wirklich jemanden getötet hatte? Oh Gott, das konnte doch nicht sein, oder? Das war doch nicht möglich. Das konnte nicht möglich sein. Aber warum hatten diese Frauen das dann gesagt?
Die Zweifel schlichen sich nicht still und heimlich in meinen Kopf, sie kamen mit einem donnernden Knall, und spornten mich an eilig die Dusche zu verlassen. Ich musste Gewissheit haben. Natürlich, es war Vergangenheit, aber ich musste es wissen. Wie sollte ich ihm sonst weiterhin ins Gesicht sehen können, ohne mir darüber Gedanken zu machen, dass er vielleicht ein Mörder war?
Ich stieß die Kabinentür auf, und stockte sofort. Und was, wenn diese Frauen wirklich die Wahrheit gesagt hatten? Wenn er wirklich getötet hatte? Wenn mein Vater früher einmal jemand gewesen war, dem das Leben anderer egal war? Wie sollte ich damit umgehen?
Ich drückte die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen, als ich mich fragte was schlimmer sei. Ihn darauf anzusprechen und eine Bestätigung für das gesagt zu bekommen, oder zu schweigen, und mich immer fragen zu müssen, ob er wirklich getötet hatte.
Andererseits, vielleicht hatten die Frauen aber auch von einem anderen Kerl gesprochen, und er würde das ganze einfach mit einem Lachen abtun.
Er hat jetzt eben andere Prioritäten als früher, Tarajika und seine Tochter sind ihm jetzt wichtiger.
Tarajika. Der Name meiner Mutter. Es gab wohl keine weitere Kombination aus diesen Namen. Raphael und Tarajika. Meine Eltern.
Scheiße. Plötzlich war ich mir über gar nichts mehr sicher, was meinen Vater betraf. Wie konnten so wenige Minuten nur so viele Zweifel aufwerfen?
Auf jeden Fall würde ich nichts erfahren, solange ich hier triefend nass herumstand. Entschlossen packte ich meine Sachen zusammen, trocknete mich notdürftig ab, und zog mir im Nebenraum eilig meine sauberen Sachen an, nur um dann schnell aus der Dusche zu stürmen. Flair rannte mir natürlich hinterher, doch je näher ich unserer Zimmertür kam, desto unsicherer wurde ich. Wie bitte sollte ich meinen Vater fragen, ob er ein Mörder war? Allein schon dass ich diesen Gedanken nicht sofort verwarf, und als unsinnig abtat, könnte ihn verletzten. Oder was wenn er mir wieder nichts sagte, weil es mich ja nichts anging? Oder noch schlimmer, er alles zugab?
Ich hatte meine Hand schon auf der Türklinke zu unserem Zimmer, als die Unsicherheit immer stärker wurde. Von drinnen konnte ich die Stimmen meiner Eltern und meiner Tante Lalamika hören. Völlig frei, unbefangen, lebhaft.
Plötzlich war ich mir sicher, mein Vater würde es mir nicht sagen. Ganz egal, ob er wirklich ein Handlanger von Gevatter Tod war oder nicht, das war ein Teil seines Lebens, mit dem er abgeschlossen hatte, aus dem er mich schon immer rausgehalten hatte.
Schluss jetzt. Das muss Zaira nicht wissen. Alles was für sie interessant ist, habe ich ihr bereits erzählt, der Rest ist egal.
Aber ich musste es wissen. Das war wie ein innerer Zwang, ich musste einfach! Doch wer würde mir etwas erzählen? Wer wusste über die Vergangenheit so gut Bescheid, dass ich ihm glauben konnte? Diese Drachen waren Fremde, sie würden mir sicher nichts verraten, oder einfach sagen, ich solle meinen Vater fragen, wenn ich es wissen wollte.
Langsam sank meine Hand von der Klinke, als von drinnen Gelächter erschall, und meine Mutter sich lautstark darüber beschwerte, dass es unfair sei, wenn beide gegen sie arbeiteten.
„Was mach ich jetzt nur?“, fragte ich flüsterten, und richtete dabei meinen Blick auf Flair.
Sie fiepte nur. Natürlich, sie war zwar mein kleiner Liebling, aber trotzdem nichts weiter als ein Hund. Woher sollte sie die Antwort kennen?
Aber es musste doch jemanden geben, der die Wahrheit nicht nur kannte, sondern sie mich auch erzählen würde. Es musste einfach … und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Aber natürlich, Cheyenne! Warum war ich da nicht gleich drauf gekommen? Sie war ein Teil seines früheren Lebens gewesen, sie musste
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