Vergangene Narben
übergeben“, fügte ich noch leise hinzu.
Aydens Blick richtete sich auf mich. „Du wusstest es? Die ganze Zeit?“
Ich nickte vorsichtig. „Mein Vater hat es mir schon erklärt, als ich noch klein war. Ich weiß eigentlich alles.“
„Im Gegensatz zu mir“, murrte Ayden, und richtete seinen Blick wieder auf seine Mutter. Er schwieg eine ganze Weile, während er nachdenklich auf seine Mutter starrte, die nervös ihre Hände im Schoß knetete. „Also fassen wir zusammen. Nicht König Nikolaj ist mein Vater, wie ich mein ganzes Leben geglaubt habe, und auch jeder Werwolf in diesem Rudel denkt, sondern Sydney. Du bist kein reinblütiger Werwolf, wie jeder gottverdammte Wolf auf diesem Planeten glaubt, sondern ein Halbblut von einer menschlichen Frau, und Zaira ist meine Halbschwester, ebenfalls ein Dimidius. Hab ich noch was vergessen? Oder kommt da noch etwas das ich wissen muss?“
Zögerns schüttete Cheyenne den Kopf. „Nein, das war alles.“
„Gut.“ Er erhob sich, und ging mit ausladenden Schritten zur Tür.
Cheyenne war sofort auf den Beinen. „Wo willst du hin?“
„Weg.“
„Aber …“
Da knallte die Tür schon hinter ihm ins Schloss.
„Lass ihn in Ruhe nachdenken“,
sagte Sydney leise, als meine Erzeugerin ihm hinterher eilen wollte.
„Er brauch ein wenig Zeit, um das alles zu verstehen. Gib sie ihm.“
„Aber er ist …“
„Lass ihn Cheyenne. Es bringt nichts, wenn du jetzt versuchst ihn zu bedrängen.“
Ihr Blick huschte unentschlossen zur Tür. Es war ihr anzusehen, dass sie Ayden nicht einfach so gehen lassen wollte, nicht nachdem was er gerade alles erfahren hatte. Diese wenigen Minuten, dieses kurze Gespräch musste seine ganze Welt erschüttert haben. Seine Eltern waren nicht die für die er sie gehalten hatte, und jetzt hatte er auch noch eine halb vampirische Schwester.
Ich hatte das alles wenigstens schon mein ganzes Leben gewusst, für ihn war dass alles völlig unerwartet gekommen. Wahrscheinlich konnte ich mir gar nicht vorstellen, wie es ihm jetzt ging. „Es tut mir leid“, sagte ich leise, denn ich wusste, dass ich der Auslöser für dieses Gespräch gewesen bin.
„Nein“, sagte Cheyenne schwach. „Du musst dir keine Vorwürfe machen. Ich hätte es ihm schon längst sagen müssen.“
Da hatte sie wahrscheinlich recht. Trotzdem fühlte ich mich schuldig. Und nach dem eigentlichen Grund dafür zu fragen, warum ich sie hatte sehen wollen, kam mir jetzt auch unpassend vor. Außerdem schien Cheyenne im Augenblick keine Kraft für ein solches Gespräch zu haben. Eigentlich gab es für mich hier nichts mehr zu tun. Nicht in diesem Moment. „Ich glaube ich sollte auch besser gehen, Papa wartet sicher schon.“
Cheyenne sah zu mir, ein wackliges Lächeln auf den Lippen. „Wir sehen uns ja morgen, wenn du dein Kleid bekommst.“
„Ich bring dich hinunter“,
bot Sydney an, und erhob seinen riesigen Wolfskörper geschmeidig von der Couch.
°°°
Die Tür glitt fast geräuschlos auf, als ich das Zimmer meiner Eltern betrat. Tante Lalamika war nicht mehr da. Das wunderte mich gar nicht. Sie konnte zwar häufig auftauchen, aber nie länger als eine halbe Stunde. Das hatte irgendwas mit den Energien und Auren zu tun. Ich hatte es nie ganz verstanden.
Mein Vater saß auf dem Bett an die Wand gelehnt, und beobachtete lächelnd meine Mutter, wie sie versuchte auf dem Boden die Damesteine zu einem Türmchen zu stapeln. Doch als ich den Raum betrat, richtete sich sein Blick sofort auf mich. „Wo warst du so lange?“
Ich sah zu ihm herüber, in dieses vertraute Gesicht, und musste wieder an die Worte der Frauen aus der Dusche denken.
Egal wo er aufgetaucht ist, es war als wäre er Gevatter Tod persönlich.
Ich erinnerte mich an den Grund, warum ich hatte Cheyenne aufsuchen wollen, warum das alles so eskaliert war. Nur wegen diesem einen kleinen Satz, den eine Frau unbedacht ausgesprochen hatte.
Konnte sich hinter diesen harmlosen, blauen Augen wirklich ein eiskalter Mörder verbergen? Jemand der Leben nahm, ohne ein zweites Mal darüber nachzudenken?
Die feinen Lachfältchen um Papas Augen verstärkten sich, als er die Stirn leicht runzelte. „Alles in Ordnung? Ist was passiert?“
„Nein und Ja.“ Ich trat ins Zimmer, schloss die Tür hinter mir, und legte meine dreckigen Sachen, und das Duschzeug, das ich wieder vom Boden im Flur aufgeklaubt hatte, auf dem Schreibtisch ab. Dann ließ ich mich mit Flair im Schoß auf die Kante von meinem Bett sinken.
Papa hatte
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