Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vergangene Narben

Vergangene Narben

Titel: Vergangene Narben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Markstoller
Vom Netzwerk:
mittlerweile seine Beine auf den Boden gestellt, während meine Mutter mich neugierig beobachtete. 
„Zaira, was ist los?“, wollte mein Vater wissen.
Was los war? Viel zu viel.
Nur einen Moment dachte ich darüber nach, die ganze Sache einfach zu vergessen, aber eigentlich war dieser Moment genau richtig um dieses Thema anzusprechen, denn wirklich schlimmer konnte es jetzt nur wirklich nicht mehr kommen. „Papa, du hast doch mal zu den Drachen gehört.“
Das Stirnrunzeln vertiefte sich, als fragte er sich, worauf ich hinaus wollte. „Ja“, sagte er vorsichtig, ließ mich dabei nicht aus den Augen.
„Was hast du bei den Drachen gemacht? Also, ich meine, was war deine Aufgabe?“
„Ich habe Sklaven befreit, aber das weißt du doch.“
Ja, das wusste ich, das hatte er mir schon erzählt. Aber etwas anderes hatte er nie erzählt. „Und was hast du gemacht, wenn dir einer von diesen Leuten in die Quere kam, von diesen Sklavenhändlern? Was hast du dann gemacht?“
Er klappte den Mund auf, schloss ihn aber gleich wieder, nur um sich nervös mit der Hand über das Kinn zu fahren. „Zaira, was sollen diese Fragen? Es ist Vergangenheit, es hat nichts mehr zu bedeuten.“
Keine Antwort. Er wich mir aus. Nun gut, dann musste ich ihn wohl ganz direkt fragen. „Hast du diese Leute getötet?“ Ich sah ihm fest in die Augen. „Hast du andere Leute getötet, Papa?“
Seine Gesichtsfarbe wurde eine Nuance blasser. Aber er antwortete nicht.
Tja, in diesem Fall war Schweigen wohl auch eine Antwort. „In der Dusche hat Alexia mit eine Frau gesprochen. Sie haben über dich geredet, über das was du früher einmal getan hast.“
Meine Mutter bekam große Augen. „Die haben über Ys-oog unter der Dusche geredet?“  
Papa beachtete sie gar nicht. Er war in der Zwischenzeit aufgestanden, und lief nervös im Zimmer umher. Immer wieder warf er mir einen kurzen Blick zu, nur um ganz schnell wieder wegzugucken, und letztendlich vor mir stehen zu bleiben. „Du verstehst das nicht, ich habe getan, was getan werden musste. Diese Leute sind grausam. Sie haben Werwölfe und Vampir entführt, sie misshandelt, und verkauft. Wir mussten sie aufhalten, und wenn ich sie nicht getötet hätte, dann hätten sie mich getötet, oder hätten einfach weitergemacht. Es gab keinen anderen Weg.“
Also hatten die Frauen recht gehabt.
„Du musst das verstehen“, versuchte er sich zu rechtfertigen. „Es hieß sie oder wir. Cheyenne, Levi, ich, und all die anderen Drachen, wir …“
„Cheyenne auch?“ War das sein ernst?
Er klappte den Mund abrupt zu.
„Meine Erzeugerin hat auch getötet?“
Seine Lippen bildeten einen dünnen Strich, als hoffte er das Gesagte damit unschädlich zu machen. „Es war eine andere Zeit, das musst du verstehen.“
Es gab nur eine Sache die ich verstand. Ich hatte mich getäuscht, es hatte doch noch schlimmer kommen können. Nicht nur mein Vater hatte getötet, auch meine Erzeugerin. „Ich bin also die Tochter zweier Mörder“, fasste ich zusammen.
„Nein, Zaira“, sagte mein Vater sofort. „Das siehst du falsch. Diese Leute sind grausam, unmenschlich. Es ging nicht anders. Wir konnten doch nicht …“
„Jedes Leben ist wichtig“, unterbrach ich ihn leise. „Es war nicht richtig was sie getan haben, aber hast nicht du selbst mir beigebracht, das zweimal Unrecht nicht Recht ergibt? Vielleicht sind diese Leute grausam, aber du hast getötet. Zweimal Unrecht ergibt nicht recht.“
Er drückte die Lippen zusammen, und schüttelte den Kopf. „Nein, Zaira, das siehst du falsch.“
„Vielleicht“, sagte ich, und streifte mir die Schuhe von den Füßen. „Ich leg mich schlafen.“ Ich stand auf, und streifte mir Hose, Socken und Hemd ab, um anschließend mit Flair unter die Decke zu schlüpfen, und meinem Vater den Rücken zuzudrehen. Jetzt gerade wollte ich ihn nicht ansehen. Vielleicht konnte ich das alles dann vergessen.
„Zaira.“ Als ich nicht reagierte, hörte ich ihn zu mir kommen. Die Matratze senkte sich unter seinem Gewicht, und dann spürte ich, wie er mir über das Haar streichelte. So wie er es früher immer getan hatte, als ich noch klein war. „Es tut mir leid, Zaira, das hättest du nie erfahren sollen.“
Ja, das konnte ich mir nur zu gut vorstellen. Wer wollte seinen Kindern schon eröffnen, dass er ein eiskalter Mörder war?
Mein Vater blieb noch lange bei mir sitzen, streichelte mir die ganze Zeit über mein Haar, doch es wurde kein Wort mehr gesprochen. Irgendwie war es seltsam.

Weitere Kostenlose Bücher