Vergangene Narben
mich da das Stimmchen quer durch den Vorgarten, dass es wahrscheinlich noch unten in Tenor zu hören gewesen war.
Ich war ungefähr eine von hundert Leuten in diesem Hof, die den Kopf zu meiner Cousine drehte, die wild winkend auf sich aufmerksam machte. Und ich war auch nicht die einzige, die sich seufzend auf den Weg zu ihr machte. Ehrlich, ich liebte meine Cousine über alles, aber manchmal wünschte ich mir, dass sie nicht ganz so überdreht wäre. Nur manchmal, aber es kam vor.
Aus einer kleinen Gruppe vor dem Portal, unter denen ich auch Cheyenne, Gräfin Sadrija, und die Zwillinge Clover und Claire erkannte, löste sich meine rothaarige Tante Lucy, und nahm Kurs auf ihre Tochter. Aha, da kam wohl gerade wieder eine Standpauke.
Flair kam freudig auf mich zugerannt, als ich mich ihnen nährte. Immer näher, nur um im letzten Moment dann an mir vorbei zu sausen, und Ayden zu lautstark verbellen. Ich grinste. Sie mochte ihn wohl immer noch nicht. „Sie nimmt es dir noch übel, dass du sie am ersten Tag verspottet hast.“
Ayden grummelte etwas unverständliches, als ich zu meiner Tante und meiner Cousine trat. Sofort richtete Lucys Blick sich auf mich. „Ich hab mich doch nicht geirrt, oder?“, begann sie ohne große Vorreden, oder gar einer Begrüßung. „Vor ein paar Tagen, als ich auf dem Weg zum Gifthaus war. Ich hätte schwören können, deinen Geruch wahrgenommen zu haben.“ In ihren Augen blitzte der Schalk.
„Ich saß im Gebüsch“, gab ich etwas verlegen zurück.
Ihr Mundwinkel zuckte. „Dann funktioniert meine Nase also doch noch. Und ich habe schon an mir gezweifelt. Egal. Alles Gute zum Geburtstag, jedenfalls.“ Sie drückte mir die Schulter, und sah dann ihre Tochter streng an. „Und du benimm dich, solange wir hier sind.“
Alina sah beleidigt aus. „Warum nur sagst du mir das ständig? Ich benehme mich doch immer, oder?“
Das wurde von Lucy nicht weiter beachtet. Sie warf ihr nur noch einen mahnenden Blick zu, nickte dem Prinzen kurz zu, und gesellte sich dann wieder mit wehenden Haaren zu der kleinen Gruppe vor dem Portal. Wenn sie so lief, mit diesem grimmigen Ausdruck im Gesicht, hatte ich immer das Bild einer Rachegöttin im Kopf.
Lange konnten mich diese Gedanken nicht ablenken, denn Alina forderte sofort meine Aufmerksamkeit zurück. „Also los, erzähl, woher hast du das blaue Auge?“
„Ich bin gestern auf die Nase gefallen.“
Meine Cousine verdrehte genervt die Augen. „Hallo? Könntest du mir mal die Wahrheit sagen? Oder glaubst du, ich renne gleich zu deinem Vater, und erzähle ihm alles?“
Natürlich würde sie das nicht machen. Ich hielt es trotzdem für sicherer zu schweigen.
Ihr Blick fiel auf Ayden und Cio. „Hallo? Tom und Jerry? Könntet ihr euch mal verziehen?“ Sie wedelte vor ihnen mit der Hand herum, als versuchte sie eine lästige Fliege zu verscheuchen. „Das hier ist ein Frauengespräch, Katzen und Mäuse sind nicht zulässig.“
„Mäuse und Katzen?“, fragte ich etwas irritiert. Hatte ich etwas verpasst?
Cio grinste. „Sie hat uns mit den überaus einfallsreichen Namen Tom und Jerry bedacht. Ich bin Jerry.“
Und das schien ihn auch noch zu freuen.
„Ja, genau, Jerry mit der Glatze unter der Mütze, und Tom mit der seltsamen Frisur.“
„Und das von einem Mädchen, dessen Haare aussehen, als wären sie verschimmelt“, konterte Cio.
„Wenigstens habe ich noch Haare, und jetzt. Kusch, ab mit euch.“
„Geht nicht“, erwiderte Ayden ruhig. „Wir sind gerade dabei Zaira zu meiner Mutter zu bringen.“
„Zur Königin?!“ Alina quietschte richtig vor Freude, und hakte sich dann sofort bei mir ein. „Na, dann, worauf wartet ihr noch? Bringt uns zur Königin.“
War ja klar gewesen. Hätte mich auch gewundert, wenn es anders gewesen wäre.
„Ich glaube nicht …“, begann Ayden.
„Ich komme mit.“ Sie durchbohrte ihn mit einem Blick.
Seufz. „Gib´s gleich auf, Alina lässt sich nicht mehr abschütteln. Außerdem weiß sie sowieso über alles bescheid.“
Alinas freches Grinsen wurde von Ayden mit einem misstrauischen Blick kommentiert, so als wollte er fragen: „Sie wusste das also auch vor mir?“
Und Cio schien es entweder nicht zu peilen, oder er überging es einfach. „Na dann kommt mal in die Gänge. Wenn wir vor Cheyenne im Salon sind, dann kann ich mich wieder über ihre Süßigkeiten her machen.“
Und schon waren wir auf dem Weg.
„Wir gehen aber gar nicht in den kleinen Salon“, merkte Ayden an, und sah zu seiner Mutter rüber,
Weitere Kostenlose Bücher