Vergangene Narben
erste Schritt kam ganz von alleine. Und noch einer, und ein weiterer.
Ich tanzte mit Ayden über den polierten Marmorboden, und kam dabei gar nicht mehr aus dem Lächeln raus. Die „Ah´s“ und „Oh´s“ aus den Zuschauerreihen gingen runter wie Öl. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich nicht Zaira, der anormale Dimidius, der sich aufgrund seiner außergewöhnlichen Natur in einem kleinen Dorf verstecken musste, ich war eine Prinzessin. Ich war Prinzessin Zaira, ein Kind des Mondes, eine Tochter der Nacht, so rein und unberührt wie die Unschuld selber. So hatte Cheyenne mich genannt, und während ich über die Tanzfläche schwebte, konnte ich glauben, dass es der Wahrheit entsprach. Wenigstens für diesen einen Abend in meinem Leben.
Heute drehte sich alles um mich, um Zaira, die mysteriöse Prinzessin, die aus dem Nichts aufgetaucht war, und genauso wieder verschwinden würde.
Ayden beugte sich ein wenig zu mir vor. „Weißt du was schön wäre?“
Hm, wenn er mich so fragte, da würden mir eine Menge Dinge einfallen, doch ich glaubte nicht, dass er eines davon gemeint hatte. Außer er war genauso verrückt wie ich, und würde liebend gerne mal in Gummibärchen baden. „Nein, was wäre denn schön?“
„Wenn du mich zur Abwechslung mal führen lassen würdest. Immerhin bin ich hier der Mann.“
„Ich …“ Mist. Hatte ich wirklich die Führung an mich gerissen? „`tschuldigung“, murmelte ich. Das war mir früher schon ständig passiert. Das machte ich ganz automatisch.
Ayden lachte leise, beließ es aber dabei, und ließ mich in all meiner Pracht erstrahlen. Den ganzen Tanz über. Ich hatte teilweise wirklich das Gefühl, er stellte mich zur Schau, weil nur ich in diesem Moment zählte. Das wunderte mich schon ein bisschen. Bis gestern noch hatte er mir gegenüber immer eine leicht arrogante Ader gezeigt, doch heute war es irgendwie anders. Lag es daran, dass er nun wusste, wer ich war? Oder einfach daran, dass er aus diesem Wissen heraus nicht genau wusste, wie er mit mir umgehen sollte?
Mit Clover und Claire zusammen hatte ich ihn soweit ich mich erinnern konnte noch nie gesehen. Ich hatte keine Ahnung, wie er sich ihnen gegenüber verhielt, aber ich bezweifelte sehr stark, dass er demnächst anfangen würde mich genauso zu behandeln. Ich meine, ich wusste schon mein ganzes Leben lang, wer er war, und was er für mich war, aber das was wir hier hatten, war sicher kein Bruder-Schwester-Verhältnis. Eher so etwas wie eine vorsichtige Annäherung auf freundschaftlicher Basis. Genau, vielleicht konnten wir das irgendwann sein, Freunde.
Ich Lächelte über diesen Gedanken, während Ayden mich einmal im Kreis drehte, nur um mir im nächsten Moment darüber klar zu werden, dass wir niemals Freunde sein konnten. Das hier war mein letzter Abend im Hof der Werwölfe. Schon morgen um diese Zeit würde ich wieder zu Hause in Koenigshain sitzen, und das alles hier, mein Besuch bei meiner Erzeugerin, mein Halbruder, Cio, und dieser Abend würden nichts weiter als eine schöne Erinnerung sein.
Mit diesen etwas wehmütigen Gedanken ließen wir den Tanz ausklinken. Ayden machte einen großen Schritt von mir zurück, um sich mit einer Verbeugung bei mir für den Tanz zu bedanken, nur um dann wieder meiner Hand zu nehmen, und mich mit einem Lächeln all diesen Fremden zu präsentierten, und sich vor ihnen noch einmal zu verbeugen. Da ich nicht ganz sicher war, was ich sonst tun sollte, machte ich es ihm nach, und grinste dabei so glücklich, dass wohl niemanden auffallen würde, dass meine Gedanken nicht in die gleiche Richtung gingen.
Schon morgen wieder würde das alles vorbei sein. Für immer.
Ayden drehte mich wieder zu sich, und führte mich dann in die Mitte des Saals. Zuerst glaubte ich, dass er erneut das Tanzbein schwingen wollte, aber dann raunte er mir zu: „Bleib genau hier stehen“, und trat zur Seite. Er ließ mich einfach so im Niemandsland stehen. O-kay. Das fand ich seltsam.
Im ganzen Saal breitete sich gespannte Erwartung aus. Es schien, dass sie alle wüssten, was jetzt geschehen würde, nur ich stand auf dem Schlauch.
Ich runzelte die Stirn, und war noch damit beschäftigt mir zu überlegen, was das hier sollte, als durch die noch offenen Türen der Glasfront ein durchdringendes Wolfsheulen aus dem Garten zu uns hinein drang. Ihm folgte weiter Wolfsgesang, so viele Stimmen, dass ich sie gar nicht zählen konnte, und dann war abrupt ruhe, als hätte jemand ganz laut „Cut!“ gerufen. Und nicht
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