Vergangene Narben
Schäfchen – oder auch Wölfchen – unter ihr versammelt. „Ein Tanzball“, begann sie, „was ist das eigentlich genau? Eine gehobene Tanzveranstaltung, auf der wir unsere Gesellschaft pflegen, die Gemeinschaft verstärken, und in Freude und Wohlsein einen Abend verbringen. Einen Abend voller Tanz, Speiß` und Freud`. Doch heute Abend habe ich ein Anliegen an euch alle vorzubringen.“
Sie machte eine bedeutungsschwere Pause, in der sich ihr auch der letzte im Saal voller Neugierde zuwandte. „Heute haben wir einen ganz besonderen Geburtstagsgast unter uns, die Tochter eines alten Bekannten, und sie hatte nur einen Wusch. Sie wollte für einen Abend in ihrem Leben eine echte Prinzessin sein, und da ihr Geburtstag ist, habe ich ihr diesen Wunsch gewährt. Meine Wölfe“, sprach sie mit lauter, klarer Stimme. „Heute Abend schlägt im Kreis der Alphas ein weiteres Herz. Ein Kind des Mondes, eine Tochter der Nacht, so rein und unberührt wie die Unschuld selber. Prinzessin Zaira!“
Mit ihrem letzten Wort traten sie und Ayden nach links und rechts zur Seite. Zeitgleich glitten die Glastüren der Fensterfront wie von Zauberhand auf, und das plötzliche Licht äußerer Scheinwerfe ließ mich in meiner ganzen Pracht erstrahlen.
Ein kollektives Luftschnappen erfüllte den Saal, und ich hörte ihr Flüstern, ihre Fragen, das Raunen das durch die Menge glitt, während ich ihnen äußerst nervös entgegen sah, und mich dazu zwingen musste meine Hände still zu halten.
„Wer ist sie?“
„Woher kommt sie?“
„Sie ist wunderschön.“
„Wie Schneewittchen.“
„Das Kleid ist ein Traum.“
Hunderte von kostümierten Gestalten sahen mir neugierig entgegen. Bunte Kleider, schlicht und gewagt, protzig, in allen Farben die ich mir nur vorstellen konnte. Fracks und Smokings. Und ein jeder von ihnen trug eine Maske im Gesicht, die verbarg wer sie wirklich waren. Aufwändige, filigrane, reichverzierte, und einfache Masken.
Ich war allein, einsam, und konnte durch die Wände das Leben dort draußen toben sehen. Aber die Leute dort draußen schienen mich gar nicht zu bemerken. Sie hatten alle keine Gesichter. Das war unheimlich –du wirst niemals dazu gehören.
Warum musste ich jetzt an diesen Traum denken? Wegen den Masken? Weil diese Fremden genauso gut gesichtslos sein könnten? Verdammt, mit diesen Gedanken machte ich mich nur selber nervös.
Dann hör doch einfach auf damit!
Okay, ganz ruhig. Vorsichtig lächelte ich in den Saal traute mich aber irgendwie nicht, ihn zu betreten. Meine Beine schienen festgefroren. Zum Glück kam Ayden auf mich zu, um mir über die ersten Schritte hinwegzuhelfen. „Prinzessin Zaira.“ Galant machte er eine Verbeugung, und griff dabei meine Hand, um einen hauchzarten Kuss draufzuhauchen. Das fand ich irgendwie seltsam, und ich musste mich zwingen, mein Handrücken nicht am Kleid abzuwischen. „Ihr seht wunderschön aus.“
„Ähm … danke. Du siehst auch schön aus … ich meine gut … ich meine, Ihr seht gut aus.“ Oh bitte, konnte mir mal jemand eine runterhauen? Das war doch mal ein echt peinlicher Auftritt.
Aydens Mundwinkel zuckten zwar, aber er überging diesen Fauxpas einfach, indem er mich auf die Ebene in den Saal führte. „Prinzessin Zaira!“, rief er laut. „Alpha für eine Nacht, Erwählte des Chaim!“ Wieder machte er eine leichte Verbeugung in meiner Richtung, genau wie Cheyenne, und das war auch der Moment, in den alle anwesenden im Ballsaal mir ihre Eher erwiesen. Frauen gingen hinunter in einen eleganten Knicks, Männer beugten ihr Haupt, um ihre Prinzessin zu würdigen.
Ich war so gerührt, dass ich ein paar Mal blinzeln musste, um die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen – konnte aber auch an den Kontaktlinsen liegen, ganz sicher war ich mir da nicht.
„Prinzessin Zaira“, sprach Ayden mich an. „Gebt Ihr mir die Ehre, des ersten Tanzes heute Abend?“
Davon abgesehen, dass es sicherlich unhöflich wäre, ihn hier vor versammelter Mannschaft abblitzen zu lassen, könnte mich nichts auf der Welt davon abhalten, in diesem wunderbaren Kleid auf meinem eigenen Maskenball über das Parkett zu schweben. „Ich würde mich geehrt fühlen“, lächelte ich, und legte meine Hand in die seine, um mich von ihm die Ebene hinunter auf die Tanzfläche führen zu lassen.
Sobald er sich mir gegenüber positionierte, und seine Hand auf meine Taille legte, wusste ich wieder automatisch, was ich machen sollte. Die Musik des Streichquartetts setzte ein, und der
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