Vergangene Narben
einfach gleich, und dann flogen wir nebeneinander durch die Luft. Nur einen kurzen Moment, dann fielen wir hinunter ins Meer, und tauchten in das kalte Wasser.
Das war wie ein Schock. Und als die Wellen über mir zusammenschlugen, bekam ich kurz Panik. Ich kämpfte mich zurück an die Oberfläche, nur um von einer Welle überrollt zu werden, die mich erneut nach unten drückte. Doch nur kurz. Salzwasser brannte in meiner Nase, als ich hastig wieder auftauchte, und nach Luft schnappte.
„Zsa Zsa!“,
rief Cio. Er war unweit von mir entfernt, und hatte selber mit den Wellen zu kämpfen. Diego und Ayden sah ich nicht. Oh Gott, wie werden doch wohl nicht untergegangen sein, oder?!
„Komm, schwimm!“,
forderte Cio mich auf.
In diesem Moment platschte es hinter mir.
Zwei der Männer waren uns hinterher gesprungen, von Deck waren die Lichtstrahlen von Taschenlampen auf uns gerichtet, um uns verfolgen zu können. Unser Glück war in diesem Moment einfach nur, dass wir vier Beine hatten, und damit schneller schwimmen konnten. Doch bei dem Wellengang war das gar nicht so einfach. Mehr als einmal wurde ich unter Wasser gedrückt, nur um dann keuchend wieder aufzutauchen, als ich Cio folgte.
Einmal erhaschte ich einen kurzen Blick auf Diego und Ayden weiter vorne, die zielstrebig auf den abgeflachten Kai in Zweihundertmeter Entfernung zuhielten. Die Wellen brachen sich dort an den Steinen, aber es war der einzige Ort in der Nähe, der tief genug lag, sodass man mit Pfoten darauf klettern konnte. Wenn die Therianthropen nur nicht vor uns da waren.
Ich strengte mich mehr an, gab alles was ich hatte, nur mein Ziel vor Augen. Das Wasser war eiskalt, und das Salz brannte mir in den Augen, doch ich gab nicht auf.
„Du hast es gleich geschafft“,
rief Cio mir zu. Ich glaubte er wollte mir einfach nur Mut machen.
Weiter vorne sah ich Diego schon am Kai stehen, wie er Ayden im Nacken packte, und zu sich rauf zog. Es war nicht mehr weit, gleich hatte ich es geschafft.
„Komm schon Zsa Zsa, dass schaffst du.“
Ja, ich schaffte es, und als meine Pfoten die glitschigen Steine berührten, war das wohl der Glücklichste Moment in dieser ganzen Nacht.
Diego packte mich wie Ayden schon zuvor im Nacken, um mich hochzuziehen, während Cio von hinten schob. Seinem Sohn allerdings half er nicht, zog mich nur weiter, bis ich endlich wieder festen Boden unter den Pfoten hatte, und schwer atmend einfach zusammen brach. Dabei hustete ich mehrere Liter Meerwasser aus – so zumindest kam es mir vor. Meine Brust zog sich darunter schmerzhaft zusammen.
„Steh auf“,
forderte Diego, und stieß mich nicht allzu sanft mit der Schnauze an.
„Wir müssen weiter.“
„Unser Wagen steht auf dem Parkplatz von …“
Der Wütende Blick von Diego brachte Cio sofort wieder zum verstummen.
„Du meinst den Wagen, den ihr geklaut habt, um euch heimlich davon zu stehlen, und alle in Sorge zurück zu lassen? Was habt ihr euch nur dabei gedacht?!“
Cio trat einen vorsichtigen Schritt von Seinem Vater zurück, der mich erneut anstieß – dieses Mal sehr nachdrücklich.
Ayden trat einen Schritt vor.
„Wir dachten Zsa Zsas Eltern sind hier, und wollten sie rausholen.“
„Wie kommt ihr nur auf so hirnverbrannte Ideen? Nein, ich will das jetzt gar nicht wissen“,
sagte Diego sofort, und stellte die Ohren auf, als hätte er etwas gehört.
„Später werdet ihr noch genug Zeit für Erklärungen haben. Und nun kommt endlich!“
Er wandte sich um, und strebte auf etwas zu, dass ein Sammelsurium aus kleinen Silos aussah.
Ich sammelte meine letzten Kräfte, und arbeitete mich auf meine müden Knochen, um ihnen zu folgen.
Konzentriert und leise führte Diego uns zwischen den Silos hindurch. Weg von der Genesis Scar, weg von dem Parkplatz, auf dem der geklaute Wagen stand, und weg von Ponte Doria. Durch ein Loch im Zaun, über die nächtlichen Straßen.
Über eine halbe Stunde mussten wir Diego in einem strammen Tempo folgen, und erst als es sicher war, dass wir nicht verfolgt wurden, lief er etwas langsamer. In der Zeit traute sich keiner auch nur ein Wort zu sagen.
Wir wichen Menschen, und Autos so gut es ging aus, bis wir den Rand eines kleines Waldstück erreichten. Ein einziger Wagen stand dort, ein großer, silberner Van, von dem der deutliche Geruch nach Werwolf ausging. Im Wagen dudelte das Radio irgendwelche Charts. Das konnte ich so deutlich hören, weil die seitliche Schiebetür offen war. Durch die Innenbeleuchtung konnte ich drei Personen
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