Vergangene Narben
sagen. Ich habe den Verschluss kaputt gemacht, und jetzt bekomme ich sie nicht mehr zu.“
„Oh“, machte ich, und bekam wohl die Farbe einer überreifen Tomate. Gott, bitte lass mich an meiner Scharm sterben. Das gerade war wirklich peinlich hoch zehn.
„Das heißt wir können raus?“
„Das heißt wir können raus“, bestätigte er mir schmunzelnd, und robbte endlich weiter.
Mich hielt nichts mehr. Scham hin oder her, sobald Cio den Weg freigemacht hatte, und durch die Luke verschwunden war, robbte ich was das Zeug hielt. Kaum hatte ich den Kopf in das dunkle Zimmer dahinter gesteckt, packte Cio mich an den Armen, und zog mich das letzte Stück heraus, um dann kurz mit mir auf dem Boden sitzen zu bleiben.
Das war wie eine Befreiung. Zum ersten Mal in der letzten halben Stunde konnte ich wieder richtig durchatmen. Selbst die Luft hier draußen war anders. „Ich will da nie wieder rein“, seufzte ich, und drückte mein Gesicht in seine Brust.
„Dann haben wir aber ein kleines Problem, weil wir ja irgendwie auch wieder zurück müssen.“
Verdammt, daran hatte ich gar nicht gedacht. Ins HQ reinzukommen war ja nur der halbe Weg. Wir mussten ja auch wieder raus! Ich löste mein Gesicht von seiner Brust, und funkelte ihn an. „Das hättest du dir nicht für später aufsparen können?“
Das Lächeln auf dem überschatteten Gesicht war deutlich zu erkennen. „Ach komm schon. Bis auf die letzten zwei Meter hast du dich doch sehr gut gehalten. Und auf dem Rückweg wird es noch einfacher, weil du den Schacht ja jetzt schon kennst.“
„Glaubst du?“ Ich bezweifelte es ja.
„Das glaube ich nicht, das weiß ich. So, und jetzt auf die Beine mit dir, wir haben noch etwas zu erledigen.“
Seine Worte in Gottes Ohren, oder wer da auch immer war, und die Fäden zog.
Ich löste meinen Klammergriff von ihm und stand auf. Nahm dafür aber seine Hand, weil ich in dieser Dunkelheit und meinem Talent sonst sicher gegen die nächste Wand gelaufen wäre. „Wo sind wir hier eigentlich?“ Anhand des hohlen Klangs dieses Raums, wusste ich nur dass er groß und leer sein musste.
„Die Trainingshalle der Drachen. Keller im HQ.“
„Dann haben wir unser Ziel also erreicht.“
„So gut wie.“ Er drückte meine Hand, und zog mich hinter sich her.
Der klang unserer Schritte gab mir nur einen ungefähren Standpunkt unseres Aufenthaltsorts. Von der Trainingshalle ging es auf dem Korridor, wo ich vor ein paar Wochen noch mit meinen Eltern geschlafen hatte. Dann weiter zur Treppe ins Erdgeschoss.
Alle Lichter waren aus, und es herrschte eine Gespenstische Stille. Hier war schon lange niemand mehr gewesen, nicht seit unserer Flucht von diesem Ort. Alles wirkte leer, leblos, fast tot. Als hätte das Gebäude mit dem Verlassen der Drachen aufgehört zu atmen, und nichts als Steine zurückgelassen.
Im Erdgeschoß allerdings mussten wir wieder Wachsammer sein. Die Fenster waren zwar mit Jalousien verhangen, doch auch dadurch konnte man einen Schatten erkennen. „Wo müssen wir hin?“, fragte ich, als wir dem Ausgang immer näher kamen.
„In die Computerzentrale. Denke ich.“
Oh Gott. Denke ich? Wirklich? Warum nur war ich mitgekommen?
Weil du es dir nie verziehen hättest, wenn ihm hier was passiert wäre.
Seufz.
Die Computerzentrale stellte sich als der Raum Raus, in dem meine Eltern am Tag ihrer Ankunft hier, Levi und diese Alexia begrüßt hatten. Auch hier sah es jetzt wie ausgestorben aus. Die Computer waren alle ausgeschaltet, der Server nicht in Betrieb, und auf den Schreibtischen hatte sich eine Schicht aus Staub gelegt. Andererseits aber erzählte dieser Raum die Geschichte des schnellen Aufbruchs. Papiere, die aussahen, als würden sie jeden Moment gelesen werden, ein Stapel Ordner, der sich auf dem Boden verteilte. Jemand musste ihn beim Rausrennen mitgerissen haben. Da drüben stand noch eine Kaffeetasse, und wartete auf die Rückkehr seines Besitzers. Doch die vertrocknete Pflanze in der Ecke sagte deutlich, dass sie darauf noch lange warten konnte.
Zum ersten Mal seit der Trainingshalle, ließ Cio meine Hand los, und ging zu dem einen Computer. Okay, er stürzte sich praktisch auf sie.
Das Summen und Piepen beim Einschalten kam mir überlaut vor, und veranlasste mich sicherheitshalber noch mal einen Blick in den Korridor zu werfen. Doch da war niemand. Das HQ war ausgestorben, und wir die einzigen anwesenden.
Ein zweiter Computer wurde eingeschaltet, und dann machte Cio sich über den Server
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