Vergangene Narben
schließlich niemand, sich mit mir abzugeben.“
Nein, aber er besaß auch ein Wesen, dass es den Leuten leicht machte mit ihm auszukommen. Ich hatte dieses Glück leider nicht. „In einer konsumorientierten Gesellschaft die so viel Wert auf äußeres gibt, ist es aber nicht leicht mit so einer Einstellung zurechtzukommen.“
„Doch, man muss es nur wollen.“ Bei diesen Worten steifte sein Atem meine Lippen.
Jetzt würde ich dich gerne küssen.
Ich wandte das Gesicht ab. „Wollten wir nicht eigentlich die Welt retten, oder so?“
„Oder so“, bestätigte er mir, und trat dann einen Schritt zurück. Seine sinkende Hand, die mir seine Wärme entzog, war fast wie ein körperlicher Schmerz.
°°°
Eine Luke, ein staubiger, endlos langer Keller, und eine Geheimtür zur Garage später, eilte ich geduckt hinter Cio zwischen geparkten Fahrzeugen hinterher. Irgendwie kam mir diese Situation ziemlich vertraut vor. Das letzte und einzige Mal, dass ich hier gewesen war, hatte ich auch kaum mehr als Unterwäsche getragen. Auch da hatten wir uns beeilen müssen, und genau wie an diesem Morgen, bohrten sich auch jetzt kleine Steinchen bei jedem Schritt unangenehm in meine nackten Fußsohlen. Manchmal waren Wolfspfoten wirklich praktischer.
Cio zog mich hinter den nächsten Wagen, und linste geduckt über die Motorhaube. Zwar war außer uns keiner hier, aber laut seinen Worten mussten wir zum Aufzug, und es wäre doch ziemlich scheiße, um es mal deutlich auszudrücken, wenn genau in dem Moment jemand dort aussteigen würde. Doch im Augenblick stand die Anzeige über den automatischen Türen still, niemand schien ihn zu benutzen.
„Jetzt oder nie“, flüsterte Cio, griff meine Hand fester, und rannte mit mir das letzte Stück in diesem Betonbunker zum Aufzug. Ihn schien der dreckige Boden dabei nicht so zu stören, wie mich. Und auch die kalte Luft hier unten machte ihm scheinbar nichts aus. Da er nichts als diese sehr knappe Jogginghose trug, konnte ich das gut erkennen.
Mein Blick ging wachsam zu allen Seiten, als Cio ungeduldig auf den Rufknopf drückte. Ihn darauf aufmerksam zu machen, dass es nichts brachte, den Knopf zu malträtieren, würde sicher nichts bringen. Seit dem wir ins Schloss eingedrungen waren, war er sowieso deutlich angespannter. Zwar war uns auf dem Weg durch den Keller niemand begegnet, aber sollte doch jemand auftauchen, könnten wir von hier nicht so einfach verschwinden wie draußen.
„Komm schon“, murmelte Cio ungeduldig, die Leuchtanzeige im Blick. „Los, komm schon.“
Das war wohl eine der längsten Minuten in seinem ganzen Leben, und als die Türen endlich zur Seite glitten, und uns in das Innerste ließen, stieß Cio so stark die Luft aus, dass er damit hätte Steine erweichen können. Er zog mich hinter sich hinein, und wandte sich direkt den Etagenknöpfen zu.
„Und der Fahrstuhl bringt uns jetzt ins HQ?“
„Für dich mag es ein Fahrstuhl sein, für mich ist es ein Eingang. Pass auf.“ In einer schnellen Abfolge, drückte er die Knöpfe. Dann gab es einen leisen Klick, und die Rückwand sprang einen Spalt auf. Cio grinste mich an, trat zur Rückwand, und legte seine Hand darauf. Unter dem leichten Druck schwang sie in den Dunklen Bereich dahinter auf, und präsentierte uns eine gähnende Leere. „E Vóila, Ladys first.“
Ich schüttelte den Kopf. „Nee, geh du mal vor.“
„Hast du etwa Angst?“
„Nein, aber in der Dunkelheit bin ich blind wie ein Maulwurf.“
Er lachte leise. „Na dann, Gentalmans Way.“
Meine Augenbraue zuckte ganz ohne mein Zutun nach oben. „Das war wohl der schlechteste Witz, der jemals deinen Mund verlassen hat.“
„Das kannst du aber auch nur sagen, weil du mich früher nicht gekannt hast.“ Er zog mich hinter sich in den dunklen Bereich, der kaum größer war als der Aufzug selber, drückte die Rückwand wieder zu. Damit tauchte er uns in völlige Dunkelheit.
„Cio, vielleicht …“
„Moment.“ Er ließ meine Hand los, und entfernte sich von mir. Ich sah es nicht – natürlich nicht, wie denn auch bei der Finsternis? – ihr fühlte wie seine Nähe von mir wich, und ich allein zurückblieb.
Das gefiel mir nicht. Nicht nur das ich hier an einem unbekannten Ort inmitten von nichts stand, er bewegte sich auch so leise, dass ich ihn nicht hören konnte. Fröstelnd rieb ich mir über die Arme, drehte den Kopf nach links und rechts, aber alles blieb schwarz. „Cio?“
„Ja?“, raunte seine Stimme direkt an meinem
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