Vergangene Narben
Das Lächeln schwang in seine stimme mit. Er drückte mir noch einen flüchtigen Kuss auf die Schläfe, und lies sich dann auf den Bauch sinken, um langsam in dem Schacht zu verschwinden. Erst nur der Kopf, dann der Oberkörper, und als die Füße dann auch weg waren, späte ich ihm hinterher, anstatt mich auch auf den Bauch zu legen.
„Verdammt, ich hätte mir einen Pulli anziehen sollen. Das ist saumäßig kalt hier!“
Das ließ mich grinsen. „Ein bisschen Kälte hat noch niemand geschadet.“ Jetzt ließ auch ich mich auf den Bauch sinken, doch bevor ich in diese, metallischen Schacht eintauchte, musste ich noch einmal tief einatmen. Und noch einmal.
Nun komm schon, sei kein Feigling. Da kann nichts passieren, und außerdem ist Cio doch bei dir.
Genau, Cio war bei mir. Dieser Gedanke beruhigte mich so sehr, dass ich mich nach einem weiteren tiefen Atemzug langsam in den Schacht schob. Dabei musste ich mir immer wieder sagen, dass Cio bei mir war, und dass es wissenschaftlich unmöglich war, dass die Wände langsam nähr rückten, und auch das dieser Schacht bei dem ganze Dreck schon ewig bestehen musste, und es deswegen ziemlich ausgeschlossen war, dass er genau in dem Moment, in dem ich hier drinnen rumkroch, über mir einstürzen würde.
Doch mein schneller Herzschlag, und auch mein rasender Puls waren da wohl ganz anderer Meinung.
„Alles okay dahinten?“, fragte Cio. Er kroch kaum einen Meter vor mir durch das spärliche, rote Licht, und schien nicht mit den gleichen Problemen wie ich kämpfen zu müssen. Für ihn schien das hier eher ein Abenteuertrip zu sein, an dessen Ende ein Schatz auf ihn wartete. Warum konnte ich das nicht so sehen? Warum mussten die Wände schon wieder den Anschein erwecken näher zu rücken? Das war doch unmöglich, oder?
„Zsa Zsa?“
„Ich … mir geht’s gut.“
„Manchmal bist du eine echt schlechte Lügnerin.“ Mit den Unterarmen zog er sich vorwärts. Ein Stück, und noch ein Stück. Ich folgte ihm so dicht es ging, ohne seine Füße im Gesicht zu haben. „Aber keine Sorge, wir haben die Hälfte schon geschafft.“
Erst die Hälfte? Aber wir waren doch schon seit … viel zu lange hier drinnen.
„Glaub ich“, fügte er noch hinzu.
„Glaubst du?“ Meine Stimme bekam einen äußerst schrillen Klang.
„Ich bin auch noch nie hier unten gewesen, und weiß nur theoretisch von diesem Schacht.“
Was?! „Soll das heißen, du weißt gar nicht, ob das hier der richtige Weg ist?!“
„Natürlich ist das der richtige Weg.“ Er murmelte noch zwei drei Worte hinterher, die ich nicht verstand.
„Was?“
„Ich hab nichts gesagt.“
„Natürlich hast du, ich hab´s doch gehört!“
Er warf einen Blick über die Schulter, und grinste mich an. „Okay, ich hab was gesagt, aber was genau, erzähle ich dir erst, wenn wir aus diesem staubigen Schacht raus sind.“
Ich war mir gar nicht so sicher, ob ich es dann noch hören wollte. Im Moment wollte ich eigentlich nur eins, und das war raus. Doch dieser Schacht schien einfach kein Ende nehmen zu wollen. Weiter und weiter. Meine Elenbogen begannen schon zu schmerzen, aber das störte mich nicht. Es lenkte mich ein wenig von dieser Enge ab. Aber als Cio plötzlich anhielt, bekam ich fast einen Herzinfarkt. Steckte er jetzt etwa fest? Oh Gott, nein! „Was ist los?“
„Ende“, sagte er. Seine Rückenmuskeln spannten sich an, als er damit begann vor sich etwas abzutasten.
„Du meinst eine Sackgasse?!“
„Nein, ganz ruhig Schäfchen. Damit meine ich, dass der Schacht hier zu Ende ist, und ich jetzt den Öffnungsmechanismus für die Luke suche, damit wir hier rauskommen.“
„Und … und wenn es keinen gibt, oder er kaputt ist?!“ Oh Gott, würde ich dann diesen ganzen Weg rückwärts kriechen müssen?
„Keine Panik, es muss … ah, da ist er ja.“ Seinen Worten folgte ein leises Knirschen, ein Klicken, und dann ein ziemlich lautes Scheppern, das mich zusammenzucken ließ. „Mist.“
„Mist?
Mist?!
Was zur Hölle bedeutet Mist!?“
„Es bedeutet, dass der Verschluss Schrott ist, und ich die Luke nicht …“
„Du hast ihn kaputt gemacht?! Oh Gott, wie stecken hier fest, wir werden hier sterben, und niemand …“
„Hey!“
„… wird uns jemals wieder finden. Ich hätte …“
„Hey, Zsa Zsa, ich meinte …“
„… doch warten sollen. Oh Gott, warum habe ich nicht …“
„HEY!“, unterbrach er meine Tetrade lautstark. „Ich kann die Luke nicht mehr verschließen, das wollte ich
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