Vergangene Narben
schnell hier rausbringen.“ Ein tiefer Atemzug. „Ich will nicht noch einmal sehen müssen, wie du verletzt wirst.“
„Ach Cio.“ Einen Moment huschte mein Blick zu Fujo, der noch immer stumm die Tränen über die Wangen liefen.
Sie schielte immer wieder zur Tür, hinter der noch immer die wütenden Stimmen tönten.
Ich beugte mich vor, und hauchte Cio einen Kuss auf die Lippen. „Solange du bei mir bist, großer Umbra, kann mir doch gar nichts passieren.“
Sein Mundwinkel zuckte verdächtig nach oben, bevor er sich wieder unter Kontrolle hatte. „Das du versuchst mein Ego zu streicheln, ist echt unfair.“ Er raufte sich mit der freien Hand durch sein Haar. „Und dass es auch noch funktioniert erst recht“, setze er noch hinterher, und schob mich sanft aber bestimmt zur Seite, um sich selber an der Tür zu positionieren. Mit dem Finger auf dem Lippen deutete er uns ruhig zu sein, und drückte dann wie in Zeitlupe die Klinke herunter.
Ich hielt den Atem an, als er sie lautlos nur einen Spalt öffnete, und musste an dieser Stelle einmal festhalten, dass die Schallisolierung in diesem Schloss nahezu perfekt war, denn sofort drangen nicht nur die wütenden Stimmen klar und deutlich zu uns in den Gang, sondern auch das Geräusch verärgerter Schritte – schade nur, dass ich nichts sehen konnte, weil Cio den Blick durch seine Gestalt verdeckte.
„… einfach nicht glauben!“, donnerte Cerberus. „Sucht sie, und bringt sie mir!“
„Aber …“
„Und auch die Eltern. Sofort!“
Raschen, wie von Kleidung.
„Jawohl Sire.“
Eilige Schritte entfernten sich.
„Sie uns gehören!“, blaffte da eine wohlbekannte Stimme mehr als nur ein bisschen verärgert. „Sie alle! Du nicht Recht haben sie …“
„Mein lieber Hisham. Das ist mein Schloss, mein Rudel, mein Königreich. Ich regiere hier, und alles was sich darin befindet, gehört somit mir.“
Da schien aber jemand extrem an Wahnvorstellungen zu leiden.
„Aber deinen Mutter gesprochen haben, gesprochen Abmachung das …“
„Meine Mutter ist tot“, sagte er mit so klirrend kalter Stimme, dass sich praktisch Eiskristalle an den Wänden bildeten. „Und ihre Abmachungen interessieren mich nicht. Sie betreffen mich nicht, und da …“
Ein lautes Krachen donnerte durch die Hallen, und warf das Echo hundertfach von den Wänden zurück. Kaum das es abgeklungen war, wiederholte es sich. Wie der Auftakt zu einem gewaltigen Gewitter.
Was ist los?,
hätte ich am liebsten gefragt, doch da es in dieser Situation nicht empfehlenswert war ein wenig Smalltalk zu betreiben, drängte ich mich vor Cio, um auch durch den Spalt spähen zu können. Er legte mahnend eine Hand auf meine Taille, schob mich aber nicht weg. Durch seine Größe – oder dem Fehlen meiner – hatte er dabei kein Problem über mich hinweg zu sehen.
Der Thronsaal hatte sich seit meinem letzten Betreten kein bisschen geändert. Keine schwarzen Wände, oder gruftartige Dekoration, keine Eisenfesseln an den Wänden, in denen Skelette vergangener Zeiten baumelten, und auch keine Folterbank, wie man bei einem so niederträchtigen Tyrannen erwartet hätte. Alles war wie immer, nur die Leute darin hatten sich zum Teil geändert.
Am Rand standen mehrere dunkelhäutige Männer mit geflecktem Haar.
Therianthropen.
Hisham, Fujos Großvater, lief wütenden Schritts vor ihnen auf uns ab. Es sah ein wenig lädiert aus. Blut tropfte von seiner Lippe, und hatte das einst weiße Hemd an manchen Stellen rot gefärbt. An der Stirn hatte er eine auffällige Platzwunde, und sein Handgelenk war dick und geschwollen. So wie er es an die Brust drückte, schien es ihm schmerzen zu bereiten.
Vor dem Thron auf den Stufen saß Cerberus Gefährtin. Hochschwanger, in einem langen, hellblauen Kleid, aus dem sie versuchte gelangweilt Falten rauszustreichen. Sie erweckte den Eindruck, als ginge sie das alles nichts an.
Weiter hinten, kaum mehr als ein Schatten stand Naomi. Sie sah in der Zwischenzeit nicht mehr ganz so abgemagert aus, und auch ansonsten gesünder, doch schien sie der Welt weit entrückt. Sie war nicht anwesend. Nicht wirklich.
Außerdem standen im Saal verteilt noch zwei duzend wachsamer Wächter, die die Therianthropen sehr genau im Auge behielten. Auch hinter dem Thron, auf dem Cerberus saß, waren sie zu finden, und genau wie bei allen anderen im Saal war sein Blick auf die große Flügeltür gerichtet. Dabei unterschied ihn nur eine Sache von den anderen Anwesenden – davon abgesehen,
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