Vergangene Narben
ließ mich nicht fortziehen. „Wir können sie nicht alleine lassen! Das ist zu gefährlich.“ Ich sah ihn flehend an. „Sie ist doch nur ein kleines Mädchen.“
Die Lippen unwillig zusammengedrückt, bröckelte Cios Wiederstand. Es ging ihm gegen den Strich. Er wollte mich einfach nur schnell hier rausbringen, weg von der Gefahr die mich bedrohte, und doch packte er mit einem Knurren meine Hand fester, und rannte dann Fujo hinterher. Dabei gab er ein solches Tempo vor, dass ich mehr als einmal ins Straucheln geriet.
Irgendwann ließ er mich an wiederwillig los, und rannte alleine vor, folgte dem Geräusch von Fujos geschwinden Schritten. Ich sah nur noch seinen Rücken, dann bog er um die Ecke in den nächsten Gang. Dafür hörte ich dann aber Fujo. Erst schreien, und dann fauchen. Fauchen wie eine kleine, sehr wütende Wildkatze. Oder wie eine sehr verzweifelte, wie ich leicht außer Atem feststellen musste, kaum dass ich um die Ecke gebogen war.
Das Bild das sich mir bot, hätte ich so nicht erwartet. Fujo zappelte in Cios Armen wie besessen von dem Wunsch frei zu kommen, und die Tür vor sich in der Wand zu öffnen. Sie streckte Ihre Hand nach der Klinke aus, kam aber nicht heran, da Cio sie wegtrug. Er hatte einen Arm um ihren Bauch geschlungen, und drückte die andere Hand auf ihren Mund, in dem Versuch sie ruhig zu halten.
So trug er sie zu mir, und stieß einen derben Fluch aus, als die kleine ihn mit dem Hacken am Schienbein erwischte. In ihren Augen standen Panik und Tränen. Und je weiter Cio sie von der Tür wegbrachte, desto verzweifelter schien sie zu werden.
„Fujo!“ Ich eilte ihnen das letzte Stück entgegen, und schaffte es ihre Hand zu schnappen, als Cio sie vor mir auf den Boden stellte. „Hey, was ist los? Warum bist du weggelaufen?“
„G-grootvad-vad-vad-vader.” Das Weinen ließ ihr Stottern noch schlimmer werden, und machte es mir damit schwer ihren Worten zu folgen. „Er hat-hat-hat geschrien!“
Meine Gesichtsmuskulatur entglitt mir ein wenig. Sie meinte doch nicht diesen gellenden Schrei, der mir noch immer in den Ohren nachhalte, oder? Mein Blick glitt zu der Tür, hinter der eindeutig wütende Stimmen zu vernehmen waren. Laut, hallend, als befände sich dahinter ein großer Raum. Doch was genau dort gesprochen wurde, konnte ich nicht verstehen. Es war einfach nur ein lautes, wütendes Murmeln, das in meinen Ohren keinen Sinn ergab. „Wo genau befinden wir uns?“
Cio wusste sofort, worauf ich hinaus wollte, ließ den Blick zur besseren Orientierung einmal durch den Gang von Tür zu Tür gleiten, und blieb an jener hängen, durch die Fujo so unbedingt wollte. „Dahinter befindet sich der Thronsaal.“ Seine Mine verdüsterte sich, „Das Reich von König Cerberus.“
Wie er den Titel aussprach, als sei es etwas Ansteckendes, von dem man sich möglichst fern halten sollte.
Ich biss mir auf die Lippe, sah von der Tür zu Fujo, und wieder zurück. Nachdem ihre Eltern sie verstoßen hatten, war ihr Großvater alles, was ihr noch geblieben war. Wie es sich anfühlte zu wissen, dass er in Gefahr schwebte, konnte ich ihr nur zu gut nachfühlen.
Ich gab ihre Hand frei, und Schritt entschlossen auf die Tür zu.
„Was machst du da?“, fragte Cio misstrauisch.
„Ich verschaffe mir Gewissheit darüber, was dahinter vor sich geht.“ Bevor ich die Hand auf die Klinke legen konnte, war Cio plötzlich neben mir, und hielt mich fest.
„Bist du wahnsinnig?!“, zischte er mich an. „Du kannst doch nicht einfach in den Thronsaal marschieren, als sei das hier nichts weiter als ein gemütlicher Spaziergang am Sonntagnachmittag!“
„Das hatte ich sicher nicht vor.“ Hielt er mich für so dumm? „Ich will nur vorsichtig reingucken.“
„Auch dabei können sie dich entdecken“, hielt er sofort dagegen.
Ich runzelte die Stirn. Was war denn mit Cio los? Er war doch sonst immer so Abenteuerlustig, und warf sich ohne groß nachzudenken immer mitten ins Geschehen. Aber seit wir aus diesem Zimmer raus waren, versuchte er mich mit einem Eifer hier wegzubringen, der völlig untypisch für ihn war. Okay, das hier war ein bisschen was anderes, als heimlich nach Italien abzuhauen, oder sich unbemerkt ins Schloss zu schleichen, aber nicht weniger gefährlich.
„Was hast du?“, fragte ich daher auch ganz direkt. Ich legte meine Hand an seine Wange, strich mit dem Daumen über die stoppelige Haut.
Seufzend schloss er für einen Moment die Augen. „Ich will dich einfach nur
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