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Vergangene Narben

Vergangene Narben

Titel: Vergangene Narben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Markstoller
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eine Schnauze, spürte wie meine Ohren sich in die Länge zogen, an meinen Kopf hochwanderten. Mein Rückgrat verlängerte sich zu einer Rute. Überall aus meiner Haut spross schwarzes Haar. Dicht, glänzend, ein wenig borstig, bis mein ganzer Körper von einem Pelz bedeckt war, der mich vor der schneidenden Kälte des Winters bewahrte.
Mit einem Seufzen spürte ich die Veränderung meiner Gliedmaßen, und genoss das Gefühl der Befreiung, dass sich in mir breit machte. Andere Dimidiuse, spürten Schmerzen durch ihr halbwesen. Manche brauchten Jahrzehnte, bis sie ihre erste Verwandlung erfolgreich hinter sich bringen konnten, doch mir war es schon als kleines Kind ohne Probleme gelungen. Nie Schmerzen, nie Qualen, oder Folter, nur Wonne die mein ganzes Sein erfüllte.
Das Lied des Mondes spielte um mich herum, sang zu meiner Verwandlung, bis ich kein Mädchen mehr war, sondern ein Wolf, der schwärzer war als die dunkelste Nacht.
Einen Moment blieb ich einfach liegen, genoss den Nachhall meiner Metamorphose, genoss noch ein wenig das Lied der Nacht, das so kurz vor dem Vollmond so stark war, so verführerisch, so verlockend.
Neben mir bellte Flair. Ihr gefiel er wohl nicht, dass ich hier immer noch so faul rumlag. Seufzend öffnete ich meine Augen.
„Ist ja gut, ich steh ja schon auf“,
sprach ich in Gedanken, die einzige Art für Werwölfe, sich in ihrer tierischen Gestalt zu verständigen – von der Körpersprache mal abgesehen. Nicht das Flair mich verstand, aber ich führte ja auch in meiner menschlichen Gestalt immer mal wieder gerne Selbstgespräche. Das war halt eine Eigenart von mir, die mir schon so manchen seltsamen Blick eingebracht hatte, und mir einfach nicht abgewöhnen konnte.
Als Flair wieder bellte, erhob ich mich, und schüttelte mein Fell erst mal kräftig aus. Dieses Gefühl der Freiheit, ich liebte es, und als ich mich dann einen Schritt bewegte, rastete Flair vor Freude völlig aus. Wie ein kleiner Speedy Gonzales raste sie einmal hin, dann wieder zurück, legte sich auf die Lauer, nur um im nächsten Moment durchzustarten, unter mir durchzurennen, und dann im Wald zu verschwinden. Sie forderte mich zum Spielen auf.
Nun gut, das konnte sie haben. Ich rieb mich noch an einem Baum, um meinen Geruch zu hinterlassen – schließlich musste ich diese Stelle später wiederfinden – dann jagte ich ihr auch schon hinterher. Natürlich konnte sie mir nicht lange davonlaufen, ihre Beine waren kaum länger als mein Zeigefinger, doch das störte sie nicht. Ganz im Gegenteil. Kaum dass ich die eingeholt hatte, freute sie sich einen Kullerkeks, und hüpfte wie ein Flummi begeistert um mich herum. Ihr Bellen schalte dabei durch den ganzen Wald.
Ich zeigte ihr die Zähne, damit die ruhig war – ein überraschender Besucher, der mich so sah war wirklich das letzte was ich wollte –, und plumps, schon lag sie auf dem Rücken, und unterwarf sich. Oh man.
Ich hob den Kopf, um auf die Geräusche der Nacht zu lausen. Steckte die Nase in die Höhe, und die fremden Gerüche zu wittern. Natürlich, das hier war ein Wald, einer wie ich schon gefühlte hundert kannte, aber in jedem Wald gab es etwas Neues, etwas besonders, dass ihn einmalig machte, und jedes Mal machte ich es mir zur Aufgabe, dieses Neue zu entdecken. Ein Spiel, das ich schon als kleines Kind mit Tante Amber gespielt hatte, wenn sie mit mir hinaus in die Wildnis gefahren war.
Ich stupste Flair an, damit sie sich in Bewegung setzte, und begann dann gemächlich durch die nächtliche Dunkelheit zu traben. Meine Augen waren hier nicht zu gebrauchen. Als Wolf sah ich noch schlechter denn als Mensch, doch ein Wolf mit Brille? Neee, das wäre ja voll seltsam. Außerdem hatte ich in dieser Gestalt andere Sinne, mit denen ich mich orientieren konnte. Ich nahm Gerüche tausend Mal besser wahr, hörte noch eine Maus in einem Kilometer Entfernung durchs Unterholz huschen. Und auch wenn ich trotzdem manchmal einen Baum streifte, oder dagegen rannte, weil ich ihn halt nicht sah, gefiel es mir so umherzuwandern.
Als Wolf durch die Natur zu streifen, berauschte meine Sinne, und genau diesem Rausch setzte ich mich nun aus. Meter um Meter, Minute um Minute. Frei, wild, ungezügelt. Irgendwann packte mich die Lust zu rennen, mein Glieder zu strecken, und dem Wind um die Nase zu spüren. Aber Flair wäre zu langsam, um mit mir mithalten zu können. Genau für solche Momente hatte ich ihr diesen Spezialanzug besorgt. Er funktionierte eigentlich nicht anders als eine

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