Vergangene Schatten
Geräuschen aus dem Fernsehapparat. Im nächsten Augenblick hatte Carly ein Gefühl, als wären hundert Augenpaare auf sie und Mike gerichtet. Sie beugte sich hinunter, um Annie zu streicheln und zu beruhigen, und blickte sich überrascht um. Sie hatte wohl erwartet, Matt anzutreffen. Sie hatte nicht erwartet, außerdem noch seine drei Schwestern, deren Freunde sowie Sandra und Antonio anzutreffen, die alle verfügbaren Sitzmöbel besetzten. Nach den Getränken und Snacks zu schließen, die auf dem Tisch standen, war eine richtige Party im Gang. Matt saß mit einer Flasche Bier in der Hand in seinem Lehnstuhl. Er war offensichtlich schon eine ganze Weile zu Hause, denn er hatte seine Uniform gegen Jeans und T-Shirt getauscht, und neben ihm lag eine Zeitung auf dem Fußboden, die er offenbar schon gelesen hatte. Er blieb sitzen, doch er sah sie so wie alle anderen an. Sein Gesicht war zuerst betont ausdruckslos, doch als er sie etwas eingehender betrachtete, pressten sich seine Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. Dann wanderte sein Blick zu dem armen Mike hinüber, der, wie Carly fühlte, am liebsten im Erdboden versunken wäre.
»Hallo zusammen«, sagte sie so fröhlich, wie sie es nur zustande brachte.
»Hallo«, antworteten die Anwesenden im Chor.
»Habt ihr euch gut amüsiert?«, fragte Matt in trügerisch beiläufigem Ton.
»Ja, es war toll«, antwortete sie und wandte sich mit einem strahlenden Lächeln Mike zu, dem das Ganze sichtlich peinlich war.
»Wow, du siehst wirklich heiß aus«, stellte Lissa fest, die Carly überrascht von oben bis unten ansah. Carly wurde bewusst, dass die meisten der Anwesenden sie noch nie in etwas anderem als ganz bequemen Klamotten gesehen hatten.
»Wo wart ihr denn?«, fragte Dani, die von dieser neuen Entwicklung der Dinge fasziniert zu sein schien.
»Im Savannah«, sagte Mike, der seine Stimme doch noch wiederfand. Carly warf einen verstohlenen Blick zu Erin hinüber, die ein klein wenig verärgert zu sein schien. Sie schwieg außerdem beharrlich, was darauf hindeutete, dass Mikes Gefühle nicht ganz einseitig waren. Natürlich musste man auch mit einbeziehen, dass Collin neben ihr saß und ihre Hand hielt. »Wir haben getanzt.«
Gut gelogen, dachte Carly überrascht. Mike war nun offenbar doch gewillt, die Sache durchzuziehen. Matt lehnte sich in seinem Stuhl zurück, ohne irgendeine Regung zu zeigen. Nur die Tatsache, dass er mit seinen Händen die Armlehnen seines Stuhls etwas fester umklammerte, zeigte, was er wirklich empfand.
»Mike tanzt wirklich gut«, sagte Carly begeistert - in dem Versuch, nicht nur ihr eigenes Anliegen zu verfolgen, sondern auch Mike weiterzuhelfen, wenn sie es konnte. Matt sah zuerst sie und dann Mike an.
»Weißt du«, sagte er zu Mike, »wenn du das nächste Mal Schutzhaft-Dienst hast, dann könntest du es mich ruhig wissen lassen, wenn du mit deinem Schützling ausgehst. Wenn ich nicht die Leute über euch beide reden gehört hätte, dann hätte ich mir vielleicht ein klein wenig Sorgen gemacht, als ich nach Hause kam und das Haus leer war.«
»Tut mir Leid«, sagte Mike und trat nervös von einem Bein auf das andere. »Es ist einfach so passiert.«
»O ja, das kann ich mir schon denken.«
»Also, ich habe nicht gewusst, dass ich auch noch unter Hausarrest stehe«, sagte Carly. Matt sah sie lächelnd an.
»Ah, ja, also, ich gehe dann wohl«, sagte Mike.
»Ja, es ist ziemlich spät«, sagte Matt.
Carly sah Mike lächelnd an. »Ich begleite dich hinaus.«
»Geh aber nicht weiter als bis auf die Veranda«, rief ihr Matt nach. »Mike, gib Acht, dass sie hineingeht, bevor du aufbrichst.«
»Wird gemacht«, sagte Mike und ging hinaus. Carly folgte dicht hinter ihm.
»Das ist ja wirklich gut gegangen«, sagte Carly mit einem schelmischen Lächeln, als sie die Tür hinter sich geschlossen hatten. Matts kleine Erinnerung, dass sie hier draußen allein nicht sicher war, hatte sie ein wenig nervös gemacht, und so stand sie etwas näher bei Mike, als sie es unter normalen Umständen getan hätte.
»Für dich vielleicht. Ich werde es das nächste halbe Jahr im Dienst büßen müssen«, sagte Mike. »Das heißt, wenn ich nicht morgen schon gefeuert werde. Matt war ziemlich sauer.«
»Das war er wirklich, was?« Carly blickte zu den dunklen Schatten hinaus, von denen die Veranda umgeben war. Nein, da war nichts, sagte sie sich entschlossen. Da war bestimmt niemand. Das hier war das Haus des Sheriffs, in dem im Moment noch dazu jede
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