Vergangene Schatten
gearbeitet, dass es schade gewesen wäre, sie zu beschädigen, indem man jede Menge Nägel hineinschlug. Außerdem gab es ja immer noch die Alarmanlage, das absolut zuverlässig war. Sie würde wohl garantieren, dass sie selbst, Sandra, Annie und Hugo im Haus in Sicherheit waren.
Sie hatte die Fenster im Erdgeschoss gezählt, um zu sehen, wie viele Besen sie brauchen würde. Sie hatte nämlich vor, die Fenster mit den Besenstielen zu verbarrikadieren, damit auch hier kein Einbrecher eindringen konnte. Auf diese Weise würde sie die Fenster nicht mit Nägeln beschädigen müssen.
Als Sandra sie mit dem Hammer in der Hand ertappte, musste sie sich rasch etwas einfallen lassen. Sandra hatte in der vergangenen Nacht tief und fest geschlafen und auch Annies Bellen nicht gehört. Sie hatte also keine Ahnung, dass Carly sich immer unsicherer in ihren eigenen vier Wänden fühlte. Im Moment konzentrierte sich Sandras Aufmerksamkeit voll und ganz auf Antonio. Andererseits war sie der größte Feigling der Welt. Carly wollte gar nicht wissen, was bei Sandra im Falle des Falles stärker gewesen wäre: ihr Interesse für Antonio oder ihre Feigheit. Es war besser, das Thema überhaupt zu vermeiden, um kein Risiko einzugehen.
Und so hatte sie auf Sandras Frage, was sie vorhabe, geantwortet, dass sie das Dach reparieren wolle. Nachdem das sowieso notwendig war, hatte sie es dann auch tatsächlich getan. Oder zumindest damit begonnen.
»Also, warum bist du hier heraufgekommen?«, fragte sie Hugo, um sich mit einem kleinen Schwätzchen unter Freunden die Zeit zu vertreiben.
Hugo schien jedoch in keiner besonders geselligen Stimmung zu sein. Er warf ihr einen abweisenden Blick zu und widmete sich dann wieder der Körperpflege, als sei dies das Wichtigste auf der Welt.
Doch sie kannte ihre Katze genau. Das war ganz einfach Hugos Art, ihr zu sagen, dass das Leben nicht immer einfach war.
»Okay, ich weiß ja, dass du ein Problem mit Annie hast«, sagte sie und schlug einen weiteren Nagel ein, um ihn danach mit Dichtungsmasse zu bestreichen. »Ich weiß, du wärst gern wieder in unserer netten großen Wohnung, wo man so eine schöne Aussicht auf den See hatte. Ich weiß, es ist heiß hier und wahrscheinlich bekommst du Flöhe, weil du so viel draußen bist, und jetzt haben wir auch noch einen Hund. Aber vielleicht musst du das Ganze einfach als eine neue Erfahrung betrachten.«
»Mit wem redest du denn da?« Als sie so plötzlich eine Stimme - es war noch dazu Matts Stimme - wie aus dem Nichts zu ihr sprechen hörte, hätte sie sich beinahe mit dem Hammer auf den Daumen geschlagen. Als sie sich umdrehte, sah sie Matt verwundert zu ihr heraufblicken. Er stand auf der Leiter, die sie an die Hausmauer gelehnt hatte, um auf das Dach zu klettern. Sie konnte nur seinen Kopf und seine Schultern sehen, die über die Dachkante hinausragten.
»Mit Hugo.« Carly setzte den Nagel, den sie durch seine Schuld verfehlt hatte, noch einmal an und schlug ihn diesmal problemlos ein. Dann setzte sie sich zurück und sah ihn mit finsterer Miene an.
»Hast du meinen Einbrecher schon gefangen?«, fragte sie alles andere als freundlich.
»Ich arbeite daran.«
»Na toll. Ich nehme nicht an, dass du beruflich hier bist. Also, was willst du?«
»Ich bringe dir die Kühlbox zurück. Und die Mütze.«
Es schien ihn überhaupt nicht zu beunruhigen, dass sie sich nicht gerade freute, ihn wiederzusehen. Als Carly sich wieder ihrer Arbeit zuwandte, kletterte er auf das Dach. Er trug ein graues T-Shirt, ausgewaschene Jeans und abgetragene Turnschuhe. Obwohl er wie ein Penner gekleidet war und sich in seinem Gesicht erste Bartstoppeln abzeichneten, sah er aus irgendeinem Grund immer noch umwerfend aus.
Wenn sie beide in Beauty and the Beast hätten spielen müssen, so stand für sie von vornherein fest, wer die Rolle des Biests hätte übernehmen müssen.
»Sag mal, bist du eigentlich schwer von Begriff? Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich dir gesagt habe, dass ich dich nie wiedersehen will.«
»War das, bevor oder nachdem du mir gegen das Bein getreten hast?«, fragte er und kletterte vorsichtig auf das schattige Fleckchen, wo sie arbeitete. Dabei erblickte er Hugo, der immer noch beim Kamin lag. »Hallo, Miezekätzchen«, rief er ihm zu.
»Danach. Und nenn ihn nicht Miezekätzchen.« »Es gefällt ihm aber. Er ...« Matt hielt inne, als Hugo ihm einen verächtlichen Blick zuwarf, aufstand und davonstolzierte. »Na schön, dann gefällt es ihm eben
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