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Vergeben, nicht vergessen

Titel: Vergeben, nicht vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Vaters gemessen hat.«
    »Das ist eine unglaubliche Entfernung«, warf Ramsey ein.
    »Geht es der Krankenschwester gut?«
    »Sie hat ein Großteil ihres rechten Ohrs verloren. Überall war Blut, weshalb alle sofort vermuteten, Ihr Vater sei erschossen worden. Aber es geht ihr gut.«
    Ramsey drückte Mollys Hand. »Wir sollten wohl lieber ins Krankenhaus fahren. Miles, lassen Sie bitte Emma nicht eine Sekunde lang aus den Augen.«
    »Kein Problem, Ramsey.« Er hatte die Hände ringend dagestanden, doch bei der Erwähnung von Emmas Namen, ihrer Schutzbedürftigkeit, beruhigte er sich augenblicklich. Als Molly und Ramsey aus dem Haus gingen, hatte er sich wieder vollkommen im Griff. Emma stand an seiner Seite, er hielt ihre Hand.
    Bei ihrer Ankunft waren Detektiv O’Connor von Oak Park und zwei Detektive der Kriminalpolizei in Mason Lords Zimmer. Alle wurden einander vorgestellt. Miles hatte Recht. Überall klebte Blut.
    »Ohren bluten wie verrückt«, erläuterte einer der Kriminaldetektive. Er zupfte sich selbst am Ohr, und Molly sah, dass ihm der untere Teil fehlte. Er würde niemals Ohrstecker tragen können. Fast hätte sie gelacht. Sie war kurz davor zusammenzubrechen.
    Sie schob ihre Hand in die von Ramsey. Er musterte sie kurz, bemerkte ihre übermäßig glänzenden Augen und zog sie unauffällig zu sich heran. »Ist schon gut«, raunte er, während seine Lippen fast ihren Kopf berührten. »Alles wird sich finden. Atme ganz langsam. Ja, genau so.«
    Das Fenster des Krankenzimmers war zertrümmert. Zwei Techniker waren damit beschäftigt, in zehn Zentimeter Höhe sehr behutsam die Kugel aus der Wand herauszuschälen. Die Frau benutzte eine Pinzette.
    Detektiv O’Connor sah müde und abgekämpft aus, doch das war nichts Neues. Sie spürte die Spannung zwischen ihm und den anderen Polizisten. In gewohnt präziser Formulierung sagte er zu ihnen: »Schwester Thomas stand direkt neben Ihrem Vater und hat seinen Blutdruck gemessen. Plötzlich schien er sich schwach zu fühlen und fiel auf das Kissen zurück. Schwester Thomas hat sich über ihn gebeugt und ihn gehalten, als der Schütze schoss. Wenn Ihr Vater sich nicht plötzlich so schwach gefühlt hätte und wenn die Krankenschwester ihn nicht noch tiefer heruntergedrückt und geschützt hätte, hätten die Chancen sehr gut gestanden, dass es Ihren Vater dieses Mal erwischt hätte. Zumindest wäre er verwundet worden. Die Kugel durchschlug das Ohrläppchen von Schwester Thomas und flog dann nach unten. Kurz über dem Fußboden schlug sie in die Wand ein.«
    Molly beugte sich über ihren Vater. »Papa, Ramsey und ich sind hier. Gott sei gedankt geht es dir gut.«
    »Ja«, erwiderte Mason. »Mir geht es gut, Molly. Genauer gesagt, in ganz Chicago hat keiner ein solches Glück gehabt wie ich. Was Schwester Thomas angeht, so werde ich ihr einen hübschen Scheck für ihren Mut ausstellen.«
    Sie drehten sich um, wo eine Technikerin die Kugel hochhielt. »Sie ist fast unversehrt«, rief sie aus. »Das reicht für die Identifizierung.«
    »Ausgezeichnet«, pflichtete einer der Detektive aus Chicago bei. »Wir werden diese hier mit derjenigen vergleichen, die man drüben in Jefferson am Ort des Attentats auf Herrn Lord gefunden hat. Sie sind doch Richter, Herr Hunt?«
    »Stimmt«, erwiderte Ramsey. »Wahrscheinlich werden die Kugeln zusammenpassen, aber leider wird uns das nicht viel nützen.«
    »Zumindest können wir feststellen, dass wir es hier mit einem einzigen Kriminellen zu tun haben«, meinte Detektiv O’Connor.
    Molly starrte auf das zersplitterte Fenster und sagte: »Er hat das Fenster zertrümmert. Ich erinnere mich, wie wir diese Möglichkeit erwogen haben. Doch das nächste Gebäude schien so weit entfernt. Annähernd hundertfünfzig Meter, vielleicht sogar noch weiter.«
    »Günther mache ich keinen Vorwurf«, sagte Mason. Es waren die ersten Worte, die er seit gut zehn Minuten über die Lippen gebracht hatte. Es befanden sich sieben Leute in dem Zimmer, von denen fast alle redeten. Sowie er zu sprechen ansetzte, verstummten die anderen und sahen zu ihm hin. Mit der ihm eigenen ruhigen und monotonen Stimme meinte er: »Ich erinnere mich, wie du aus diesem Fenster geschaut hast, Molly. Ich erinnere mich, dass du einer derjenigen gewesen bist, die diese Möglichkeit in Erwägung gezogen hat. Wir aber haben es nicht als bedrohlich empfunden. Wir haben ihn unterschätzt. Die Technologie entwickelt sich in ra-sendem Tempo, und dieses Mal waren wir einfach nicht

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